Gesehen und gelesen – April 1996

So, nun haben wir sie erlebt… Immerhin fast 100 Minuten lang war sie und wurde zur besten Fernsehzeit an einem Samstag Abend ausgestrahlt: die Travestie-Show des RTL. Interessant, dass sie am gleichen Abend und zur gleichen Zeit eine Konkurrenz hatte, d. h. aus der alten Flimmerkiste hatte man die »Tollen Tanten« herausgeholt (Rudi im Sommerkleidchen…). Doch diese Tanten konnten mit den Schönheiten, Jugend und Eleganz der RTL-Damen natürlich nicht Schritt halten. Die Models von 1996, die uns präsentiert wurden, waren durchaus ansehnlich und der Titel »Miss Travestie« krönte eine Art »Jugendausgabe« der bekannten Mary. Aber man kann das wohl noch einmal in aller Ruhe nachprüfen, denn Teil des Titels war das Versprechen, der Stern würde über sie eine Fotoreportage bringen! Die Show selbst war nicht unbedingt originell aufgebaut. Man hatte eher den Eindruck einer Kopie von amerikanischen Sendungen ähnlicher Art. So war der Gang auf dem langen Laufsteg doch etwas unmotiviert und wurde in schneller Gangart absolviert. Ob die Jury, in der Linda de Mol und Lilo Wanders saßen, sich erst nach den beiden Darbietungen in Bademode und Abendrobe ein Bild machen konnte, schien wenig realistisch. Auch blieb die Frage des Betrachter unbeantwortet, warum man sich einen Schweizer als Moderator holen mußte und die Show von einem holländischen Entertainment Unternehmen gestaltet wurde – aber sonst: es lief alles glatt und professinell. Dabei hatte man wohl die Sorge gehabt, die Models würden nicht als Voll-»Machos« beurteilt und brachte daher seltsame Kurzportraits von ihrem Arbeits-/Hobbyleben, um zu demonstrieren: Sie stehen voll ihren Mann und trotzdem siehst du sie als damenhafte Geschöpfe. Ob das wohl nötig war?

Auf jeden Fall gab es bei einem anderen Sendeabend echte Entäuschung, nämlich bei der Arte Themenreihe »Konfusion der Geschlechter«. Zwar gab es einen guten Einstieg mit dem dokumentarischen Film über den Homo Quentin Crisp, doch die anderen Beiträge waren trotz des Interesse weckenden Gesamtthemas weder Hilfe noch regten sie zum Nachdenken an. Da kam weder der Transsexualismus noch der Transvestitismus zur Sprache. Verwunderlich eigentlich bei einem Sender, der sonst durch Qualität auffällt. Diesmal war man in der Redaktion schlecht beraten.

Gut beraten ist dagegen jeder, der sich entschließen kann, einen Fotoband aus den USA anzuschaffen. Betitelt ist er mit »Drag Diaries«, 128 Seiten mit vielen Fotos (39,80) und wurde 1995 von dem Umb Editionen/S. Fransisco verlegt. Man findet interessante Interviews mit Drag Artisten von Lady Bunny bis zu Lysinka, eine gute historische Darstellung, wie die Dragg Scene sich entwickelte, eine Bibliograpie und Filmchronik. Dazu RuPaul: »Du wirst nackt geboren und was immer du anlegst, es ist Drag«!

Eine Minderheit sind wir nach Untersuchungen, die man in den USA angestellt hat. Danach finden nur 1% der Befragten es interessant, Männer in Frauenkleider zu erleben, und nur 1% der Männer finden es erregend Frauenkleider zu tragen. Ob das nun stimmt oder nicht – auch Minderheuten sollten respektiert werden. Das beginnt man nun wohl auch langsam in China zu begreifen. Dort soll nach jüngsten Berichten die ersten staatlichen Sexual-Forschungen in Gang gekommen sein. In deren Verlauf haat Professor Liu Dalin auch einen Transvestiten erforscht. »Der Mann wollte immer Frauenperücken und einen BH tragen« so wird der Professor zitiert. Ja, so fängt es maanchmal auch in anderen Ländern an… Achtung für Filmfreunde. Aus den USA kommt als neueste Produktion ein Streifen, der eigentlich eine Neuauflage des Käfig voller Narren« ist. Er läuft aber unter dem Titel »The Birdcage« mit Erfolg in den amerikanischen Kinos und wird irgendwann sich auch bei uns landen. Doch bis dahin – so long

RITA/Bremen

getippt von Sandra S.


Seite angelegt am 21.11.2004, zuletzt geändert am 01.09.2005.