Gesehen und gelesen – März 1996

Wissen Sie eigentlich, was ein »Morgestraich« ist? Oder eine Alti Danti? Vielleicht können Sie aber Cortege Clique - Drümmeli oder Guggemuusig definieren? Wer in der schönen Stadt Basel wohnt, dem sind alle diese Begriffe durchaus vertraut, denn sie beschreiben einen Teil der Basler Fasnacht (Bitte nicht mit einem »t« in der Mitte). Sie findet zur allgemeinen Verwunderung eine Woche nach dem Aschermittwoch statt, der sonst in allen Gebieten dies- und auch jenseits des Rheins und auch in anderen deutschen Regionen die bekannte Fastenzeit vor Ostern einläutet. Es ist also ein durchaus anders begangenes Brauchtum (seit dem Mittelalter, ca. um 1600), welches drei tolle Tage lang die guten Basler in Atem hält. Mit Larven versehen, die man sonst als Masken bezeichnet, ziehen Gruppen von Pfeiffern und Trommlern in köstlichen Kostümen und festem Schritt durch die teilweise engen Straßen der Innenstadt, die natürlich dann für jeglichen sonstigen Verkehr gesperrt ist. jede Gruppe hat ein Thema (Sujet) gewählt, es nimmt oft in bissiger Ironie einen Vorfall aus dem Lande aufs Korn. Dann kommen nicht selten stramme Männerbeine unter den zarten Reifröcken hervor, oder kräftige Gestalten schreiten in niedlichen Brautjungfer-Kleidchen einher. Wenn der wichtige Tambourmajor vorneweg als überdimensionierte »Dame« marschiert, dann ergibt das einen köstlichen Kontrast zu den »alten Tanten« (Danti), welche z. T. in kostbaren Rokoko-Kleidern in einem Landauer durch die Stadt gefahren werden. Alles beginnt um Punkt 4:00 Uhr in der Früh, wenn die Straßenlaternen ausgeschaltet werden und sich die Musikgruppen mit kleinen Laternen auf dem Kopf ihren Weg durch die Zuschauermenge bahnt. Ein toller Anblick.

Den bot auch am 18. Februar 96 wieder die Spielgemeinschaft des Kölner Männergesangvereins in einer Fernsehaufzeichnung. Die Gruppe ist als »Cäcilia Wolkenberg« in der Domstadt bekannt und brachte auch in diesem Jahr eine Art Musical auf die Bühne. Alle Rollen der Sänger, Tänzer und Statisten sind von Männern besetzt, mit einigen beachtlichen Leistungen. man wüsste gerne, ob es von diesem Spektakel auch Video-Bänder geben mag?

Vermutlich steckte in dem »Divertissementchen« der Kölner mehr Eigenarbeit der Beteiligten als den Darbietungen der Tuntenbälle, die wieder aus Berlin und Hamburg vermeldet wurden. Dafür hört man davon, dass jede der Teilnehmerinnen wohl viele Stunden für die Kleider und Präsentation in dem Trubel verwenden musste.

Viel Arbeit steckt auch in der neuesten Publikation für alle Reisende, die zugleich auch in der TV oder TS-Szene beheimatet sind. Zum 4. Mal haben es die eifrigen Forscherinnen aus London geschafft (Caroline und Vicky), zusammen mit regionalen Mitarbeiterinnen aufzulisten, was es in Europa (+USA/Asien) an vielversprechenden Adressen zu nennen gibt. Dienste, welche TV's in Anspruch nehmen können, Geschäfte mit freundlichen Angeboten und alle die interessanten Bars, Night Clubs und Bühnen – es findet sich im sogen. »Tranny Guide 96«, den man in London bei der WayOut bestellen kann. Zu empfehlen jedem Reisenden aus dem TV/TS-Bereich.

Unter den ernsthaften Beiträgen zum Geschlechtswandel-Thema habe ich diesmal ein Taschenbuch aus dem Rotbuch-Verlag auf dem Tisch liegen: Volkmar Sigusch, »Geschlechtswechsel« (1995/140 S./DM 16,-). Im Umfang relativ klein, aber in der Zusammenfassung der jahrelangen Erfahrungen dieses Direktors der Abteilung Sexualwissenschaft der Universität Frankfurt/Main eine überaus gewichtige Stimme. Dabei beeindruckend, wie ein derart qualifizierter Mediziner erkennen lässt, wie sich im Laufe der Jahre seines beruflichen Werdegangs neue Einsichten ergeben haben, alte Vorstellungen von ihm abgelegt wurden. Natürlich geht es um Transsexualität und ihre Entwicklung, noch wichtiger die Frage, welche Hilfen man Menschen geben kann, die sich in diesem Lebensbereich entdecken. Sehr zu empfehlen.

Hinweis auf Termine zum Schluss. Mit einem Treffen á la EuroFantasia wird es also in diesem Jahr nichts (so Jenny Sand). Aber zumindest will die Frankfurter Selbsthilfegruppe wieder ihre Tagung veranstalten. Der Termin ist 26. bis 28. April 96.

So long für heute.

Rita/Bremen

getippert von Claudia


Seite angelegt am 21.11.2004, zuletzt geändert am 01.09.2005.