Gesehen und gelesen – Mai 1994

Es scheint wirklich so zu sein, als wenn für TV’s in Deutschland bessere Zeiten anbrechen! Zum ersten Mal in meinem Leben kann ich täglich an einem großem Werbeplakat vorbeifahren, welches offensichtlich für TV’s Reklame macht. Die Firma Pirelli muß an uns interessiert sein. Sonst hätte sie nicht diese Plakatwerbung besorgt. Da sieht man einen athletischen Schwarzen in gebückter Haltung, fertig zum Start unter dem Motto: »Power is nothing without control.« Zwar zeigt er nur sehr verschämt, daß er ein TV ist – aber immerhin! Nur so kann man nämlich die roten Damenschuhe mit hohen Absätzen verstehen, welche unsere Freundin da auf dem Plakat trägt…!

Aber nun zu anderen Druckerzeugnissen. Da ist sicherlich das Buch des Monats in meine Hände geraten. Es füllt eine lang gespürte und oft reklamierte Lücke aus. Es ist in deutscher Sprache, wurde in Deutschland geschrieben, handelt von Transsexuellen in Deutschland und ist nicht für Fachmediziner bestimmt! Nach diesen Kriterien beurteilt hatten wir bisher noch keinen Band auf dem deutschen Büchermarkt. Sein Titel: »Messer im Traum«. Seine Autorin: Holde-Barbara Ulrich und der Fotograf Thomas Karsten. Sie haben es im Konkursbuch Verlag Claudia Gehrke im Januar 1994 herausgebracht (175 Seiten, DM 39,80). Wir gratulieren, denn ergänzt mit »dreizehn erregenden Lebensgeschichten in Wort und Bild« die Biographien Einzelner, welche bisher dem Leser zugänglich waren. Warum gerade diese 13 TS ausgewählt wurden, ist nicht beschrieben, doch bieten sie einen guten Querschnitt all derer unter uns, welche den Schritt zur Körperveränderung getan haben. Überwiegend sind darunter M-zu-F, aber auch einige Lebensgeschichten, die in die andere Richtung verlaufen. Besonders beachtlich: es werden auch Menschen geschildert, deren Entwicklung durchaus nicht einfach und positiv verlaufen ist. Harte Kurven, schlimme Enttäuschungen mußten manche überstehen, einige leben auch jetzt noch in komplizierten und unglücklichen Situationen.

Alle Fotos sind sehr einfühlsam, dezent, und bieten eine gute Begleitung des Textes (überwiegend in schwarz/weiß). Mein einziger Wunsch für eine Ergänzung: Es wäre hilfreich gewesen, wenn die Autorin einen ausdrücklichen Hinweis auf positive Möglichkeiten der TS-Selbsthilfegruppen gegeben hätte. Oftmals schaffen es die Betroffenen nicht, selber Kontakte aufzunehmen, welche sie in den Kreis anderer Betroffener führen könnte. Positiv: die Adresse der Frankfurter Transidentitas ist angegeben. Mein Rat: kaufen!

Dem geneigten Leser kann ich den gleichen Rat für zwei weitere Publikationen nur mit Einschränkungen geben, weil für diese Bücher die Zielgruppe nicht eindeutig ist. Mit Interesse habe ich das kleine TB »Verboten« (Heyne Verlag, 8,90 DM) gelesen. Der spanische Autor Leopoldo Azancot schreibt über einen jungen Terroristen, der sich auf der Flucht vor der Polizei bei Esther versteckt. Später erfährt er nach einigen Liebesversprechungen, daß er an einen TV geraten ist.

Exotischer ist eine Erzählung aus Japan unter dem Titel: »Kitchen«. Geschrieben von einer dortigen Autorin mit dem netten Pseudonym: Banana Yoshimoto. Erschienen im Diogenes Verlag, Zürich (206 Seiten). In der Großstadt Tokio erlebt die junge Mikage seltsame Abenteuer, die in der Küche beginnen und sich in einem vornehmen Appartement fortsetzen. Die schöne Mutter ihres Freundes taucht auf – nur langsam wird deutlich: diese Frau war ein Mann. In seinem Heimatland soll die Geschichte ein großer Erfolg sein, jetzt zum ersten mal in deutscher Sprache.

Zu sagen wäre noch etwas über ein deutsches Musical, welches dieser Tage seinen Start in Berlin hatte. Sein Titel: »Die Ladyboys«, natürlich geht es hier um TV’s. Davon später mehr. So long.

Rita/Bremen


Seite angelegt am 20.11.2004, zuletzt geändert am 05.09.2005.