Gelesen und gesehen – Juni 1996

Fernsehabende mit Programmen, für die es sich lohnt, Termine zu reservieren – die beginnen meist ziemlich spät. Doch diesmal war es anders, bereits um 20:15 Uhr brachte die Serie um Dr. Stefan Frank ein Thema, welches sonst erst in vorgerückter Stunde auftaucht: Transsexualität. Es ging da um einen jungen Mann, und ob er die große Operation der Geschlechtsumwandlung ansteuern oder sogar recht bald vollziehen sollte? Ein durchaus tüchtiger Spezial-Arzt war dazu nicht nur bereit, er wollte die ersten Schritte dazu, etwa eine Hormonbehandlung, möglichst umgehend vollziehen. Dazu riet auch der gute Freund des Jünglings. Er war nämlich als Travestiekünstler jeden Abend auf der Bühne als Dame zu sehen und wartete ungeduldig darauf, daß sein »junger Freund« recht bald voll erfahren würde, was er selber nur als Künstler erlebte! Tatsächlich war der junge Alexander eine sehr attraktive Gestalt, als er einige Auftritte im gleichen Lokal und in Kleid und Perücke versuchte. Bei der gesamten Darstellung blieb erfreulich, daß die verschiedenen Personen sehr sachlich dargestellt wurden und man weder den reinen Glamour-Look vorzeigte, noch ständig die Sensations-Brille aufhatte. So kam man im Verlauf der Handlung auch zu einer durchaus fairen Erklärung der Begriffe Transvestit – Travestie und Transsexualität. Entscheidend sind im Ablauf dann die persönlichen Empfindungen des jungen Alexander. Ihm wird langsam deutlich, was für ein riesiger Unterschied zwischen der Erfahrung liegt als Travestie- Künstler zeitweilig als Dame aufzuteten und einer Operation, die zum Ziel hat, das gesamte Leben umzukrempeln und völlig neue Beziehungen auszulösen. Als er sich schließlich zu einer eigenen Entscheidung durchringt – nämlich die Operation jetzt zurückzustellen – wird auch dies nicht mit extremen Show-Effekten geschildert. Insgesamt eine gelungene Behandlung eines Themas, welches in seiner Ernsthaftigkeit und gewaltigen Wirkung für die Beteiligten in dieser Weise selten auf dem Bildschirm in deutschen Beiträgen behandelt wird. Darum diesmal für RTL: Pluspunkte.

Eine gleiche Wertung können wir kaum finden für das von der ARD ausgestrahlte Filmchen, welches zum Monatsanfang gesendet wurde. Als »Komödie die im Transvestiten-Milieu spielt« wurde es in einer großen Wochenzeitschrift angekündigt. Tatsächlich ging es aber um »Travestie«, und die noch in einer wirklich armseligen Ausstattung. Es war bereits Mitternacht, als der Alt-Star Lola (Lothar Lambert) einige Travestie-Auftritte darbot – doch nicht mit großem Erfolg. Dem Betrachter reichte es, denn nicht nur war die Filmstory extrem »dünn«, die Ausstattung war auch derart dürftig, daß man nur von kaum akzeptabel bis unzureichend bzw. unmöglich urteilen konnte. Damit wurde Wahrheit, was eine andere Zeitschrift so formuliert hatte, daß nämlich Lambert seine Filme drehe als »billig hergestellte Komödien aus der Subkultur«. Es stimmte – leider…

Von völlig anderem Kaliber war der Themenabend des ARTE-Senders: »Transsexuell – die Befreiung vom falschen Körper«. Es begann mit einer interessanten Dokumentation von Rosa v. Praunheim über eine sehr aktive Lobby in den USA, die als »Transexual Menace« bis in die heiligen Hallen der Volksvertreter in Washington vordrang, um sich in einer fast kämpferischen Weise bei den Abgeordneten für die Belange der Transgender-Leute einzusetzen. Es folgte dann eine gut besetzte Talk-Show-Runde, die von Lea Rosh koordiniert wurde. Immerhin hatte man da internationale Besetzung: Aus Frankreich Eva Lausum, aus den USA Jamison Green und Deutschland war mit Waltraud Schiffels vertreten = alles post-op-TS. So konnte es zu einem sorgfältig geführten Gespräch kommen, in dem direkt »Betroffene« ihre Erfahrungen einbringen konnten und dem geneigten Betrachter Informationen über die rechtlichen Probleme und medizinische Faktoren vermittelt wurden. Zugleich bemühte man sich um sprachliche Klarheit der verschiedenen Begriffe (siehe oben).

Letzteres gelang nicht ganz bei dem Titel des Fotobandes, den ich noch kurz vorstellen möchte. »Transsexuelle Menschen – Im falschen Körper« von Daniel und Geo Fuchs, Verlag Martina Rüger, 195 Seiten, 1996. Es handelt sich um eine Fotoausstellung, bereits 1995 in Frankfurt im Römer gezeigt und begleitet von 19 kurzen biografischen Angaben über Florian T. (FzM-TS) bis hin zu Cassandra L. Darunter befindet sich auch Cornelia Klein und Charlotte v. Mahlsdorf, aber auch Eva K. Einige von diesen sind nicht TS im Sinne einer bereits vollzogenen Operation, aber der Untertitel trifft tatsächlich für alle zu. Trotz des hohen Preises (DM 89,-) zu empfehlen.

So long für diesmal –

RITA/Bremen


Seite angelegt am 21.11.2004, zuletzt geändert am 01.09.2005.