Gelesen und gesehen – März 1995

Sicherlich haben noch nicht alle einen Fernseher zuhause, und sicherlich konnten nicht alle die Chance wahrnehmen, am frühen Nachmittag die Sendung zu sehen, in der Ilona Christen als Talk-Masterin in diesen Tagen wirkte. Aber am 10. März wäre das um 15.00 Uhr wert gewesen zu tun, denn das Thema »Transvestiten« stand auf dem Programm. Eine Stunde lang waren da interessante Menschen im Studio. Von der schwarzhaarigen, jungen Tam Yu aus Vietnam über Layla, die in der Bundesbahn als geschätzter Werkmeister arbeitet, bis zur liebevollen Linda aus den neuen Bundesländern kommend, waren fünf sehr unterschiedliche Vertreter dieser Lebenshaltung zu erleben. Besonders interessant war es auch, dass zwei der TV’s ihre Lebenspartnerin bzw. Ehefrau mitgebracht hatten. So hörte man aufmerksam zu, als Iris-Regina davon erzählte, wie sie die TV-Praxis ihres Mannes empfindet.

Sehr offen und nur positiv sprach sie davon, ergänzte sie auch, dass sie sowohl bei den Kleidern mithelfen würde (sie hat einige selbst geschneidert!), ihrer Layla mit den Perücken hilft und sie praktisch als ihre »beste Freundin« erlebt. Allerdings bekannte sie auch: im Bett würde sie nur den Mann sehen wollen, im Haushalt dagegen helfe die Freundin gerne mit.

Nicht ganz so viele Einblicke gewährte uns interessierten Zuschauern die Barry, welche während der ganzen Sendung zärtlich die Hand ihrer Linda hielt (Maschinenbauingenieur aus der ehemaligen DDR). Sie finde einen Transvestiten viel besser als den gewöhnlichen Mann, denn mit dem TV könne sie sich über alle Frauenfragen unterhalten. Doch sonst ging es hier auch weniger um ein Ausleben dieser Neigung in der Oeffentlichkeit, Linda ist TV vorwiegend zu Hause. Insgesamt war die Sendung eine durchaus vorsichtige Darstellung des Themas, sie vermittelte einige Einblicke in diese interessante Lebensweise und vermied jeden sensationellen Seitenblick auf die TV’s.

Aufregender geht es im Ausland zu, wie diese beiden Infos aufzeigen: da ist man in den USA zumindest in einer Stadt einen wichtigen Schritt weitergegangen. Seit dem 12.12.94 gibt es in San Francisco ein neues Gesetz, durch welches jede Diskriminierung von »transgender people« verboten wird. Dies bezieht sich sowohl auf eventuelle Übergriffe der Polizei als auch auf Fälle, in denen man den Zugang zu Kliniken oder sonstigen Einrichtungen des Gesundheitswesens verwehrt hatte. Auch alle Einrichtungen der Stadt, inklusive Toilettenanlagen sind nun zugänglich (in den USA versteht man unter »Transgender« TV- und TS-Personen).

Noch erstaunlichere Hinweise kommen aus Kuba. Dort soll nach langen Jahren der Unterdrückung von Homosexuellen, TV’s und TS eine gewisse neue Einstellung der Behörden zu beobachten sein. So wurde zum ersten Mal seit langer Zeit eine Travestie-Show in einem Theater der Stadt genehmigt, die zu Ehren eines an AIDS gestorbenen Künstlers gestaltet wurde. Auch können jetzt pre-Op-TS offen ihre Neigung in Kleidern ausleben, doch eine offizielle Zustimmung zu verändernden Operationen müsste durch den kubanischen Staatsrat erfolgen. Doch es sieht aus, als wäre da Licht am Ende des Tunnels…

In diesen Wochen finden in Frankfurt zwei interessante Fotoausstellungen statt – leider nur bis zum 26. März. In der Römerhalle sind es die Fotos von TS von Daniel Fuchs, im Fotografie-Forum sieht man Transvestiten aus New York auf dem Strich, fotografiert von Vincent Alan W.

Noch zwei Infos betreffend Filme: Köstlich im Fernsehen (ZDF) die Ausstrahlung von »Drei Frauen und kein Mann«. Mehr gewichtigen Inhalt verspricht nach Meinung der Kritiker der kanadische Film »Das Geschlecht der Sterne«. Geschildert wird, wie die zwölfjährige Tochter Camille nicht fertig damit wird, dass ihr Vater durch eine Operation zur Frau wurde. Als sie tatsächlich die Begegnung mit der neuen Marie-Pierre erlebt, bringt ihr das große Enttäuschung und Abwehr. Vermutlich lohnt es sich, den Streifen mal anzusehen.

So long aus Bremen Rita


Seite angelegt am 20.11.2004, zuletzt geändert am 01.09.2005.