Gelesen und Gesehen

Ritas Beobachtungen in Büchern, Film und Fernsehen von 1992 bis 1997.

Einführung

Auf dieser Seite sind alle Beiträge zusammengefasst.

Inhalt


Gesehen und gelesen – Dezember 1997

Es ist ein privater Fernsehsender (RTL), er hatte schon mehrfach über sogenannte »Randgruppen« berichtet. Dazu rechnet man ja in unserem Lande die TV + TS. Diesmal war es eine Reportage in der »exklusiv«-Reihe über das Schicksal der Tina (am 2.12.1997), die seit Geburt eigentlich ein Franz war. Fast 60 Minuten lang gab es eine Nachzeichnung des Lebensweges, relativ wenig auf die »Sensations-Tour« ausgerichtet. Sowohl die Behörden als auch beteiligte Mediziner sprachen in vorurteilsloser Weise über die vollzogene Wandlung der Tina. Dabei hörte man vom Nervenarzt sehr hilfreiche Überlegungen zu solchen Erfahrungen. Für den interessierten Zuschauer blieben Fragen offen, z. B. wie kann Tina nun ihren Lebensunterhalt verdienen? Und wie gestalten sich ihre Beziehungen zum »anderen« Geschlecht?

Da wir gerade beim Fernsehen sind – natürlich berichtet es auch von Grenzfällen, bei denen z. B. transsexuelle Neigungen nur eine Nebenrolle spielen. Aber wenn von einem Kranken berichtet wird, der in der Psychiatrie gelandet ist, einige Morde auf dem Gewissen hat und nun seinen Wunsch vor der Kamera erzählt, eine »richtige Frau« zu werden durch eine Operation – dann werden gewiß bei manchem Zuschauer Vorurteile in dieser Richtung eher verstärkt, als abgebaut. Aber – ein Reporter kann immer darauf hinweisen: so etwas gibt es auch.

Auf meinem Tisch liegen mehrere Taschenbücher. Eines davon heißt »Der Zementgarten« von Ian McEvan (Progress, 1982, 206 S.). Früher schon im Fernsehen als Film gezeigt, hat man diese Schilderung aus dem englischem Arbeiterbereich nun auch als Lesestoff in der Hand. Es geht um die 4 Kinder einer Familie, welche die Abwesenheit des Vaters und Tod der Mutter völlig alleine meistern, ohne daß jemand ihre Situation rechtzeitig bemerkt. Die größeren Geschwister erleben den jüngeren Bruder, der nach dem Tod der Mutter unbedingt darauf besteht, als Mädchen in die Schule zu gehen. Er habe es satt, ein Junge zu sein. Als er von den Geschwistern gefragt wird, warum das so sei: »Weil einen dann keiner schlägt, wenn man ein Mädchen ist.« In kindlicher Naivität weiß er auch, wie man es denn anstellen könne, Mädchen zu sein, wenn doch alle wüßten, er sei ein Junge: »Ich ziehe mir ein Kleid an und lege mir die Haare wie Du«, erklärt er seiner Schwester! Und mit Hilfe dieser verwandelt er sich auch. Tja, lieber Leser, wenn es so einfach wäre…

Um viel schlimmere Dinge geht es im Taschenbuch »Venezianische Scharade« von Donna Leon. Es ist ein neuer Fall des langsam berühmt werdenden Commissario Brunetti (Diogenes, 1996, 373 S.). Mit einem aufsehenerregenden Fund beginnt die Story: ein ehrbarer Banker Venedigs wird in einem Kleid und roten Damenschuhen in einer berüchtigten Gegend der Stadt tot aufgefunden. Genau diese Schuhe (Übergröße 41) bringen die erste brauchbare Spur. Am Ende war der gute Mann weder TV noch aus der dieser Szene. Zu dieser Erkenntnis hilft dem Commissario noch folgendes ungewöhnliche Detail: Die Beine des Toten waren (aber erst nach seinem Tod) rasiert worden, um die Echtheit der Verkleidung zu belegen. Man fragt sich als Leser, wer mag der Autorin als Beraterin gedient haben, um solchen Fakt zu erwähnen?

Eine interessante Neuerscheinung ist seit November dieses Jahres auf dem Markt. Das Taschenbuch hat den Titel »Wenn Frauen Männerkleider tragen«, Autorin ist Gertrud Lehnert (Deutscher Taschenbuchverlag., 224 S.). Es geht eigentlich nicht um eine Beurteilung der Frauen, die in verschiedenen Jahrhunderten ihre Rolle mit der der Männer getauscht haben – oder doch wenigstens die Kleider – sie versucht eher herauszustellen, warum diese Frauen ihre Identität erst in der Kleidung des anderen Geschlechts gesucht bzw. gefunden haben. Beispiele nimmt sie aus Romanen und Theaterstücken, Filmen und Biographien. Sie kommt zur Überzeugung, daß die differenzierten Formen des Überganges von einem zum anderen Geschlecht eine positive Entwicklung der Gesellschaft sind. Ein Taschenbuch, welches man empfehlen kann.

Ein weiterer Text: »Von tanzenden Kleidern und sprechenden Leibern«, Taschenbuch von Susanne Benedek/Adolphe Binder (Edition Ebersbach, 1996, 240 S.) Ein ansprechender Titel, aber man merkt vielen Texten an, daß sie als wissenschaftlich erarbeitete Sammlung entstanden. Eigentlich geht es um Themen zur Androgynität. Crossdressing »als Auflösung der Geschlechter-Polarität« (ein Untertitel des Buches) wird kaum beantwortet. Ähnlich auch »Sakkorausch und Rollentausch« von Stoll/Wodtke-Werner, um den Titel wenigstens zu nennen. So long für diesmal. Gute Schritte ins Neue Jahr wünscht

Rita/Bremen

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Gelesen und gesehen – Juli 1997

Erstaunlich, wirklich erstaunlich, wie der Sender RTL plötzlich eine Sendereihe ausstrahlt, die vom 4. bis 8. Juli 1997 unter dem besonderen Thema »Drag Queen-Festival« zusammengefaßt wurde. Bereits im Vorjahr hatte RTL den ersten Travestie-Wettbewerb vor laufenden Kameras inszeniert. Diesmal setzte er sich fort durch die Wahl der »Miss Travestie 97«, garniert mit der Jury, die aus Erika Berger, Lilo Wanders und Hans Meiser bestand.

Als begleitende Ergänzung gab es den dokumentarischen Film »Die heimliche Lust, Frau zu sein«, in der Erika Berger recht geschickt einige Travestie-Künstler vorstellte. Sehr viel gemischter ging es am anderen Tag in der Reportage »Strapse, Pumps und Nagellack« zu. Zumindest schien dem Beobachter der Rahmen sehr weit gespannt zu sein; vom Szene-Nachtleben in New York schwebte man zum Tuntenball in Hamburg und hörte sich die kesse Bridge Markland an.

Im gleichen Programm gab es auch die Begegnung mit ganz »normalen« Transvestiten. Dabei ging es aber nicht mehr um große Show-Auftritte in einem Fernseh-Studio, oder um ein gut organisiertes Kommerz-Unternehmen, vielmehr treffen sich schon seit einigen Jahren in Sachsen TV- & TS-Freunde. Mit viel ehrenamtlichen Einsatz und persönlicher Beteiligung findet dann so ein Wochenende in Chemnitz statt. Und man erlebt eine typische Selbsthilfegruppe. Großartig auch die Aussage des nur beruflich beteiligten Busfahrers: das seien ja ganz nette, normale menschen, diese Männer in Kleidern…!

Nochmals zu den Bemühungen RTL’s. Am 6. Juli gab es die Ausstrahlung des australischen Filmes »Priscilla«. 1993 fertiggestellt, sind die 115 Minuten für manchen deutschen Zuschauer etwas schwierig zu verstehen. Quer durch Australien ein bißchen verrückt, aber sehr menschlich. Sehr überzeugend die visuelle Gestaltung.

Mehr Lob verdient der englische Kinofilm (1996) »Der kleine Unterschied«. Sehr behutsam und humorvoll hat man hier Abschied genommen vom Klischee schriller Fummeltanten. 2 Jugendfreunde treffen sich nach Jahren, einer von ihnen hat sich »umoperieren« lassen. Auch hier gibt es Lackpumps und Lederminis, aber im Vordergrund stehen nicht tolle Kleider. Die neue Frau – Kim – hat sich nach ihrer Operation in ein fast isoliertes Frauenleben eingefunden. Die Begegnung mit dem Jugendfreund führt zur Entdeckung einer neuen Art von Weiblichkeit und einer zarten Liebesgeschichte.

Der Sprung ins andere Geschlecht gelingt auf der Bühne nicht immer, selbst wenn es um eine so bewährte Schauspielerin geht wie Raquel Welch. In der Komödie »Victor/Victoria« soll es dem Busenstar nicht ganz gelungen sein, eine Frau zu sein, die einen Mann spielt, der vorgibt eine Frau zu sein. Nach letzten Rückmeldungen soll sie nun aber die Doppelrolle im Griff haben…

Auf dem Büchertisch liegen zwei Titel in deutscher Sprache: Ein dünnes Bändchen stammt von dem Künstler und Autor Harald Budde – »Zwischen Bett und Sofa« (Weidler Verlag, 1994, 114 S.). Verwoben mit Schilderungen sehr persönlicher Erfahrungen im Berlin des Krieges/Nachkrieges sind Erlebnisse eines Transvestiten, der stets den Frauen zugetan ist, aber immer wieder weibliche Kleidung als sehr »anregend« erlebt. Es ist eine sehr persönliche gehaltene und interessante Zeitschilderung der Berliner Szene jener Jahre.

Ganz andere Dimensionen hat das »Zirkuskind« von John Irwing (Diogenes Verlag, 1997, 970 S.!). Der Roman spielt in Indien, verbindet seltsame Typen, z. B. aus einem Zirkus mit ehrbaren katholischen Missionaren. Ein Kinostar ist dabei, es geht um die Aufklärung eines Mordes. Dazu gehört auch in Bombay eine operierte/nicht operierte Prostituierte, die später als Ehefrau durch die Seiten des Buches stolziert. Amüsant, schrill und bunt.

In englischer Sprache liegen u. a. eine Sammlung vor mit Kurzdarstellungen bekannter »Drag Queens« in den USA. Herausgegeben von J. Fleischer als Feldguide. Wer also diesen Teil des Nightlifes von New York kennenlernen will, zugreifen!

So long für diesmal.

RITA / Bremen

Abgetippt von Claudia am 29.7.1997

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Gelesen und gesehen – April 1997

Wir haben die Diskusion schon seit einigen Jahren hinter uns, wonach in gewissen Fällen die Geschlechts-Befindlichkeit durch einen operativen Eingriff eine neue Richtung erfahren hat. Eine der medizinischen Institutionen, die das viele Jahre in den USA praktizierte, ist das berühmte John Hopkins Hospital (Baltimore). Dorthin pilgerten in der Vergangenheit viele, die durch eine TS-Operation einem neuen Geschlecht zugeordnet wurden. Nun kommt plötzlich die Nachricht, daß gerade in diesem Hospital auch schlimme Fehler passiert sind.

Die Fakten: 1963 wurde ein Junge operiert, bei dem der Penis zuvor beschädigt worden war. Man entfernte diesen und vervollständigte später die Umwandlung in ein weibliches Wesen. Doch in der Folgezeit ergab sich, daß Joan durchaus nicht mit dem neuen Geschlecht einverstanden war. Sie spielte viel lieber mit Jungens und hatte bereits im zweiten Schuljahr den zunehmenden Wunsch selber Junge zu werden. Davon haben die Ärzte des Hopkins-Hospital dringend abgeraten: sie solle sich doch nur weiblicher verhalten, es würde alles gut werden. Doch mit 14 Jahren faßte sie definitiv den Entschluß, auf einem Wechsel zu bestehen, besonders nachdem die Eltern ihr von der Operation im Kleinkindalter erzählt hatten. So wurde Joan zu einem John. Heute ist er glücklich verheiratet, lebt in einer Familie mit seinen 3 Adoptivkindern. Was lernen wir daraus? Vielleicht ist in Baltimore doch manche Kastration »falsch« gewesen? (Siehe dazu Colapintos »Der Junge, der als Mädchen aufwuchs.«)

Es gibt andere interessante Erfahrungen, z. B. im literarischen Bereich. 1996 nahm man in Australien das Erstlingswerk einer bisher unbekannten Autorin begeistert auf. Die Kritiker des Landes gaben dem Roman »My own sweet time« den Jahrespreis 1996. Die 47-jährige Autorin Wanda Koolmatrie und ihre Lebensgeschichte, die sie im Roman verarbeitet hatte, wurden als ein literarischer Treffer gepriesen. Das änderte sich etwas, als später der Australier Leon Carmen zugab, das Werk stamme von ihm. Auf Rückfragen teilte der Verlag verlegen mit, man habe tatsächlich kein persönliches Treffen mit der »Autorin« gehabt. Ob man sowas auch mal bei uns versuchen sollte ?

Kein Versuch, sondern ein gelungener Auftritt vor einem zahlungskräftigen Publikum hat neulich der Oberbürgermeister von New York dargeboten. In einem langen rosaroten Kleid, platinblonden Haaren und dem Versuch, zu einem Wohltätigkeitskonzept seinen persönlichen Beitrag zu liefern begeisterte Mr. Giuliani die Vertreter der Gesellschaft mit einem Ständchen: »Happy birthday, Mr. President!« Trotz der hübschen Aufmachung des Bürgermeisters kam keiner auf die Idee, das wäre nun »die Monroe« gewesen!

Es gibt immer wieder Beispiele dafür, wie auf den Theaterbühnen unseres Landes vertauschte Geschlechterdarstellung verwendet wird. Kürzlich geschah dies im Stuttgarter Staatsschauspielhaus. Der Regisseur Becker brachte das Stück »Lebensabend« von dem britischen Autor Johnson auf die Bretter, welche für manche die Welt bedeuten. Es geht um den Besuch in einem Seniorenheim. Die Zuschauer erlebten 6 Frauen, die von Männern gespielt wurden, daneben 3 Männer – von Frauen dargestellt. Die Kritik meinte: »Es sei ein aufregendes und produktives Verfahren gewesen.«

Wen es interessiert, wie es eigentlich in früheren Generationen mit Männern gewesen sei, die sich in Frauenkleidern sehr wohl fühlten, dem kann ein kleines Taschenbuch empfohlen werden, welches im letzten Jahr erschienen ist. Es ist der Nachdruck einer Aufzeichnung, welche bereits 1907 verlegt wurde, und nun 1996 im Berliner Verlag Janssen neu aufgelegt wurde. Der Titel : »Eine männliche Braut«. Zwar ist dann im Untertitel von dem Tagebuch eines Schwulen in Berlin in den Jahren vor dem ersten Weltkrieg die Rede, doch ebenfalls wird durch den anonymen Autor geschildert, wie er in jenen Jahren als Travestie-Star sein Geld verdiente. Verblüffend, wie man in jener Zeit, als es für Lebensformen wie Homosexualität oder TV’s keine klaren Definitionen gab, versuchte seine Erfahrungen auszudrücken. Empfehlenswert.

So long für diesmal.

RITA / Bremen

Abgetippt von Chantal am 14.4.1997

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Gelesen und gesehen – Januar 1997

Hoppla, das Fernseh-Jahr hat aber gut angefangen – so könnte man diesen kleinen Bericht anfangen, wenn man einfach die verschiedenen Sendungen zusammenzählt, welche Travestie-Künstler und TV’s auf die Mattscheibe brachten. SAT1 hatte schon vorher in ganzseitigen Anzeigen verkündigt: in jedem Mann steckt eine Tante. Tatsächlich wurde zu dem altbekannten Titel »Charley’s Tante« eine neue Version gezeigt. Dann folgte PRO 7 mit Arabellas Talkshow zum Thema »Tunten, Transen, Travestie«. Und am gleichen Abend begann die erste deutsche Fernseh-Serie »Ein Mann steht seine Frau«, in der ein bekannter Schauspieler als Chefsekretärin auftaucht und dabei keine schlechte Figur macht.

Da der geneigte Leser vermutlich einige dieser Sendungen selber erlebte, brauchen wir keine Wiedergabe der Inhalte, jedoch einige nachdenkliche Bemerkungen. Warum diese dramatisch etwas dünne Geschichte von der Tante des Charley schon derart häufig in Szene gesetzt wurde, kann man kaum richtig erklären. In Deutschland wurde sie bereits 1955 verfilmt, später mit Peter Alexander, und nun wurde Thomas Heinze in diese Rockrolle gesteckt. Außer den Pluspunkten für das rote Kleid in der Tanzszene gibt es sonst wenig zu bemerken.

Interessanter ist denn schon der andere Filmversuch. Er wurde in der Voranzeige als »Familienserie« proklamiert, und wird uns in insgesamt 6 Folgen angeboten (jeweils am Freitag, 21 Uhr). Sehr originell ist die Konzeption nicht, sie folgt eigentlich der Story der aus Amerika als »Mrs. Doubtfire« zu uns kam. Das Grundmodell: ein Mann verliert seine Stellung – nichts will klappen – eigentlich zufällig probiert er’s in Frauenkleidern – schon erhält er die Stelle und der Verdienst ist gesichert. Das erlebt auch schon Helmut Zierl, der sich mit Hilfe einer Perücke, Brille und Damenkostüm zur Chefsekretärin wandelt. Das Erscheinungsbild ist angenehm, man soll Hilfe bei US-Profis gesucht haben. In der ersten Folge gab es nur wenige Kleidermodelle zu sehen, abwarten, was da auf uns zukommt.

Abwarten brauchen wir nicht, was Arabella zu diesem Thema bringt, die Sendung lief bereits. Hans Meiser hatte darüber eine Show, Ilona Christen folgte, nun brachte Arabella zu »Tunten, Transen und Travestie« eine sehr gut aufgelegte Truppe vor die Kameras. Zwar wurden die genannten Begriffe nicht geklärt, dafür erhielt man einen guten Einblick in das Berufsleben einiger Travestiekünstler aus München. Besonders Mandy kam mit einem furiosen Start in die Sendung, und wirkte auch später sehr angenehm »natürlich« und wenig affektiert. Das konnte man von einigen anderen nicht sagen. Bis zum Schluss blieb es interessant: Da kam Yvonne, die als echter Transvestit wie eine nett gekleidete ältere Dame wirkte, und sich deutlich von einigem zuviel Glamour abhob. Auch war Manuela (Frankfurt) dabei, die seit vielen Jahren als (biologische) Frau eine echte Freundin vieler Travestie-Stars ist, und mit Verständnis die Szene begleitet. Arabella, das war ein gelungenes Programm.

Im Bücherregal stehen zwei neue Taschenbücher. Von Lilo Wanders »Tja, meine Lieben« (Econ Verlag, 1996, 175 S.). Der Untertitel verspricht zuviel: Eine Diva plaudert sich um Kopf und Kragen! Überhaupt: mit dem nett aufgemachten Text weiß man nicht so recht etwas anzufangen. Für Insider ist er zu »dünn«, man erfährt kaum etwas darüber, wie der erfolgreiche Schauspieler von Schmidts Revue sich zu der blonden Moderatorin verwandelt hat. Daran ändert auch die originelle Idee nichts, eine Lilo-Wanders-Puppe zum Ausschneiden beizulegen.

Aus der amerikanischen Szene stammt »Drag Queen – Gemischtes Doppel«, von Robert Rodi (Gmünder Verlag, 1996, 265 S.). Da geht es um eine recht nette Story von dem einen Zwillingsbruder, der sich zu einer kompletten Drag Queen gemausert hat, sich von der Familie abkoppelte, vom anderen Bruder mühsam gefunden wird, dieser sich erst nach und nach in dieses seltsame Leben einfühlt und zum Schluss auf der Bühne den Bruder kurz nachahmt. Beurteilung: Bettlektüre zur Unterhaltung. – Übrigens: man hört, am 1. Februar sei »Fummelball« in Berlin. Alles Gute!

So long für diesmal.

Rita/Bremen

abgetippert von Claudia

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Gesehen und gelesen – November 1996

Die Tage werden länger, das Laub ist gefallen und abends wird es schneller dunkel. Trotzdem können wir neue Entdeckungen machen und interessante Einblicke gewinnen.

Dazu gehört die ziemlich verblüffende Tatsache, dass vor wenigen Tagen zum ersten Mal in der deutschen Presse in der gleichen Woche in drei verschiedenen Zeitschriften Beiträge zu lesen waren, die sich mit der TV/TS-Szene beschäftigten. Im Stern wurde der neue Bildband der Photographin Panja Jürgens besprochen, der unter dem Titel »Transformations« dieser Tage in den Buchhandel gekommen ist. Im Spiegel fand sich eine nette Schilderung der männlichen Drag Queens (»Alles noch bunter«), die nun nicht mehr nur in England oder den USA zu bewundern sind, sondern auch in Deutschland ihre schrillen Typen in die Szene einbringen, so zum Beispiel in Berlin. Die dritte Publikation war der Focus, in dem ein recht nettes Interview mit Lilo Wanders abgedruckt wurde unter dem Titel: »Mrs. Doubtfire für Große«. Wenn man dazu noch die verschiedenen Auftritte in Fernseh-Talk-Shows unterschiedlicher Qualität dazu rechnen würde, dann entsteht der Eindruck: zumindest in der deutschen Medienöffentlichkeit bietet man erheblich genauere Informationen über diese Lebensformen an, und sie sind auch durchaus breiter gestreut, als das noch vor einigen Jahren der Fall war. Ist deswegen schon alles okay ? Sicherlich nicht… aber

Erstaunlich ähnliche Beobachtungen wie bei den Publikationen kann man dieser Tage auch für die Bühne machen. Damit meine ich nicht nur die bekannten Programme in einschlägigen Cabaretts, etwa im sturmerprobten Pulverfass zu Hamburg (ein böses Abzockeretablissement, Anm. d. Abtipperin), oder oder die Auftritte der baumlangen Mary – die immer grössere Hallen mit ihren neuesten Nummern zu füllen hat – sondern es gibt so etwas auch im sonstigen künstlerischen Theaterleben. Etwa bei Pina Bausch, die in Wuppertal im Mai im neuen Tanzstück einen der männlichen Stars als Marilyn Monroe auf die Bühne schickte. Noch mehr Aufsehen erregte der Regisseur Frank Castorf, als er in einer Inszenierung des »Teufels General« in der Volksbühne (Berlin) schon im ersten Akt vier Rollen mit »cross-casting« besetzt. Die markante Figur des Generals spielt Corinna Harfouch, den Kulturleiter Sophie Ries, während zwei Damen von Schauspielern gelebt werden! Ob erfolgreich – das kann nur beurteilen, wer die Aufführung gesehen hat.

Aber nochmals zurück zum Bücherregal. Der bereits erwähnte Photoband von Panja Jürgens ist ein prima Kunstwerk. In Großformat, 210 Seiten schwer und mit vielen Abbildungen – allerdings in schwarz/weiß. Die Photographin lebt schon seit fünf Jahren monatelang in New York und dann wieder in Zürich. Seit 1990 hat sie ihre eigenwillige Art entwickelt, amerikanische Drag Queens auf das Negativ zu bekommen. Sie hält jeweils auf einem einzigen Kleinbildfilm fest, wie aus dem Mann eine meist sehr gut gekleidete Frau wird. Der Titel des Bandes »Transformations« sagt in aller Knappheit genau das aus, was man da auf jeder Seite miterleben kann. Faszinierend und höchst kleidsam. Eigentlich gibt es nur einen dunklen Fleck auf dem sonst hellen Bild, das ist der Preis : 98.- Mark ist doch etwas viel verlangt und wird den Kreis derer, die sicherlich gerne darin blättern würden, erheblich verkleinern. Wer es sich leisten kann: Empfehlung.

Es gibt auch von anderen Erfahrungen zu berichten. In einer großen deutschen Illustrierten fand sich Anfang des Monats eine seltsame Story. Unter dem Generalthema »Rache der Frauen« wird auch von einer Unternehmergattin aus Darmstadt berichtet, 37 jahre alt, Ute T. Die musste eines Tages erleben, wie ihr Ehemann Uwe sein Doppelleben offenbarte. Die Beschreibung der Szene: blonde Perücke, rotlackierte Fingernägel, Chanel-Kostüm, Stöckelschuhe und tadelloses Make-Up. Danach erschien er zu Hause immer wieder neu gestylt, seine Frau sollte ihn Jaqueline nennen, und so wollte er Sex mit ihr haben. Das war ihr zuviel und sie beschreibt, wie sie ihren Rachefeldzug begann (nachdem er aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen war). Dazu gehörte die Versendung von »Uwe in sexy Dessous« etc. Schade, dass keiner den beiden hatte helfen können und etwa es zur Beratung gekommen wäre. Aber in jeder Stadt gibt es ja eine TV-Selbsthilfegruppe – oder ? (Anm. d. Abtipperin: Hier irrt die Autorin, denn dem ist längst nicht so. Wobei TS-Selbsthilfegruppen eine wesentlich größere Verbreitung haben.)

Noch ein kleiner Tip für die nächste Zeit: Anfang Januar 97 beginnt die Serie »Ein Mann steht seine Frau« bei RTL. Helmut Zierl (oje, ausgerechnet der … sarkastische Anm. d. Abtipperin) soll der Arbeitslose sein, der sich in eine Frau verwandelt um den Job als Sekretärin zu ergattern. Sein Kommentar: er findet Kleidung und Schuhe der Frauen seien zu unbequem. Naja, Ansichtssache, meine ich…

So long – von hier zu Dir.

RITA / Bremen

Abgetippt von Chantal am 19. 12. 1996

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Gelesen und gesehen – Juni 1996

Fernsehabende mit Programmen, für die es sich lohnt, Termine zu reservieren – die beginnen meist ziemlich spät. Doch diesmal war es anders, bereits um 20:15 Uhr brachte die Serie um Dr. Stefan Frank ein Thema, welches sonst erst in vorgerückter Stunde auftaucht: Transsexualität. Es ging da um einen jungen Mann, und ob er die große Operation der Geschlechtsumwandlung ansteuern oder sogar recht bald vollziehen sollte? Ein durchaus tüchtiger Spezial-Arzt war dazu nicht nur bereit, er wollte die ersten Schritte dazu, etwa eine Hormonbehandlung, möglichst umgehend vollziehen. Dazu riet auch der gute Freund des Jünglings. Er war nämlich als Travestiekünstler jeden Abend auf der Bühne als Dame zu sehen und wartete ungeduldig darauf, daß sein »junger Freund« recht bald voll erfahren würde, was er selber nur als Künstler erlebte! Tatsächlich war der junge Alexander eine sehr attraktive Gestalt, als er einige Auftritte im gleichen Lokal und in Kleid und Perücke versuchte. Bei der gesamten Darstellung blieb erfreulich, daß die verschiedenen Personen sehr sachlich dargestellt wurden und man weder den reinen Glamour-Look vorzeigte, noch ständig die Sensations-Brille aufhatte. So kam man im Verlauf der Handlung auch zu einer durchaus fairen Erklärung der Begriffe Transvestit – Travestie und Transsexualität. Entscheidend sind im Ablauf dann die persönlichen Empfindungen des jungen Alexander. Ihm wird langsam deutlich, was für ein riesiger Unterschied zwischen der Erfahrung liegt als Travestie- Künstler zeitweilig als Dame aufzuteten und einer Operation, die zum Ziel hat, das gesamte Leben umzukrempeln und völlig neue Beziehungen auszulösen. Als er sich schließlich zu einer eigenen Entscheidung durchringt – nämlich die Operation jetzt zurückzustellen – wird auch dies nicht mit extremen Show-Effekten geschildert. Insgesamt eine gelungene Behandlung eines Themas, welches in seiner Ernsthaftigkeit und gewaltigen Wirkung für die Beteiligten in dieser Weise selten auf dem Bildschirm in deutschen Beiträgen behandelt wird. Darum diesmal für RTL: Pluspunkte.

Eine gleiche Wertung können wir kaum finden für das von der ARD ausgestrahlte Filmchen, welches zum Monatsanfang gesendet wurde. Als »Komödie die im Transvestiten-Milieu spielt« wurde es in einer großen Wochenzeitschrift angekündigt. Tatsächlich ging es aber um »Travestie«, und die noch in einer wirklich armseligen Ausstattung. Es war bereits Mitternacht, als der Alt-Star Lola (Lothar Lambert) einige Travestie-Auftritte darbot – doch nicht mit großem Erfolg. Dem Betrachter reichte es, denn nicht nur war die Filmstory extrem »dünn«, die Ausstattung war auch derart dürftig, daß man nur von kaum akzeptabel bis unzureichend bzw. unmöglich urteilen konnte. Damit wurde Wahrheit, was eine andere Zeitschrift so formuliert hatte, daß nämlich Lambert seine Filme drehe als »billig hergestellte Komödien aus der Subkultur«. Es stimmte – leider…

Von völlig anderem Kaliber war der Themenabend des ARTE-Senders: »Transsexuell – die Befreiung vom falschen Körper«. Es begann mit einer interessanten Dokumentation von Rosa v. Praunheim über eine sehr aktive Lobby in den USA, die als »Transexual Menace« bis in die heiligen Hallen der Volksvertreter in Washington vordrang, um sich in einer fast kämpferischen Weise bei den Abgeordneten für die Belange der Transgender-Leute einzusetzen. Es folgte dann eine gut besetzte Talk-Show-Runde, die von Lea Rosh koordiniert wurde. Immerhin hatte man da internationale Besetzung: Aus Frankreich Eva Lausum, aus den USA Jamison Green und Deutschland war mit Waltraud Schiffels vertreten = alles post-op-TS. So konnte es zu einem sorgfältig geführten Gespräch kommen, in dem direkt »Betroffene« ihre Erfahrungen einbringen konnten und dem geneigten Betrachter Informationen über die rechtlichen Probleme und medizinische Faktoren vermittelt wurden. Zugleich bemühte man sich um sprachliche Klarheit der verschiedenen Begriffe (siehe oben).

Letzteres gelang nicht ganz bei dem Titel des Fotobandes, den ich noch kurz vorstellen möchte. »Transsexuelle Menschen – Im falschen Körper« von Daniel und Geo Fuchs, Verlag Martina Rüger, 195 Seiten, 1996. Es handelt sich um eine Fotoausstellung, bereits 1995 in Frankfurt im Römer gezeigt und begleitet von 19 kurzen biografischen Angaben über Florian T. (FzM-TS) bis hin zu Cassandra L. Darunter befindet sich auch Cornelia Klein und Charlotte v. Mahlsdorf, aber auch Eva K. Einige von diesen sind nicht TS im Sinne einer bereits vollzogenen Operation, aber der Untertitel trifft tatsächlich für alle zu. Trotz des hohen Preises (DM 89,-) zu empfehlen.

So long für diesmal –

RITA/Bremen

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Gelesen und gesehen – Mai 1996

Sind sie ein Krimi-Leser? Kennen sie schon etwas von der amerikanischen Autorin Donna Leon? Wissen sie, was ein »prostituto transvestito« ist?

Falls nun nur negative Antworten kommen, dann mag vielleicht beim geneigten Leser Interesse sein für den neuen Roman »Venezianische Scharade« im Diogenes Verlag, 1996 (DM 39,-). Immerhin ist es das erste Buch in deutscher Sprache, bei dem gleich auf der ersten Seite ein roter Damenschuh beschrieben wird! Er gehört offenbar einer ermordeten Person, die im roten Kleid hinter den Büschen in einer Industrie-Zone von Venedig versteckt wurde. Als deutlich wird, daß im Kleid tatsächlich ein männliches Wesen steckt, entsteht der Verdacht, es handle sich um eine der »Damen« vom lokalen TV-Strich. Jedenfalls hat die Autorin einige Detail-Kenntnis von dieser Szene. Sobald man weiß, wer der gute Bürger ist, der noch am Tage zuvor völlig ruhig durch die Straßen ging – nicht im Kleid – gewinnt der Umstand Bedeutung, daß er als gefundener Toter rasierte Beine aufwies! Damit wird dem informierten Leser klar: es sollte nur aussehen, als wäre der Tote ein »prostituto transvestito«… Es ist ein wirklicher Krimi, also spannend, bringt aber über die TV’s in Venedig weniger enthüllende Informationen als man anfänglich erwartete.

Enthüllender soll dagegen der neue Film aus den USA sein, der vom 16. Mai an schon wieder ein altes Bühnen-Erfolgsstück auf den Markt bringt. Remakes – das ist ja die große Masche in der amerikanischen Unterhaltungs-Industrie. Statt dem vertrauten Titel »Ein Käfig voller Narren« geht es diesmal um »The Birdcage«. Nach dem Vorspann zu urteilen macht man sich nicht mehr in dezenter Weise über Homos und Tunten lustig; aber es ist auch kein ernsthafter Versuch auszuloten, was denn in diesen sogenannten Randgruppen an Lebenserfahrung vor sich geht. Ein paar der alten und aufpolierten Gags, ein paar nette Kleider – das war es denn wohl, und derartige Bemühungen auf der Leinwand haben wir ja schon öfter erlebt.

Eindringlicher sollte man sich eher mit einer interessanten Veränderung beschäftigen, die im letzten Jahr zur Auswechselung eines Titels in den USA führte. Es geht um eine in manchen Kreisen wohlbekannte Zeitschrift, die von der »International Foundation for Gender Education« als Tapestry seit mehreren Jahren herausgegeben wurde. Mit etwa 50 Seiten und farbigem Deckblatt, wurden interessante Informationen den Lesern aus der TS- und TV-Szene in aller Welt vermittelt. Ohne lange Diskussion wurde zum 31.12.1995 der Titel in Transgender geändert. Warum wohl? Ist der Name nicht zweitrangig, eine Sache wie »Schall und Rauch«? In dieser Situation vielleicht doch nicht! – Dieser Wechsel ist vermutlich Teil der Diskussion, die in den USA seit einiger Zeit von den Interessierten und »Betroffenen« geführt wird. Begriffe (Titel) sollen ja innerhalb einer Sprache Gedanken/Definitionen möglichst so vermitteln, daß ein möglichst großer Teil der Empfänger versteht, worum es geht. Mit Ausnahme von Geheimcodes soll ein Wort auch Teil einer guten Kommunikation sein. Nun erlebte man immer wieder, daß im breiten Publikum z. B. »Transvestit« die unterschiedlichsten Vorstellungen auslöste. Die Unterscheidung zum TS oder auch zur Travestie als »Kunstform« auf der Bühne und im Film wird oft nicht verstanden. In dieser Woche lese ich in einer der großen Wochenzeitschriften davon, daß Lilo Wanders eine »einzigartige Transvestitin« sei… So begann man in den USA mit anderen Begriffen zu leben. Dabei wurden Wortbildungen mit »trans-« ausgeklammert. Sie erinnerten oft an ihre Herkunft aus dem klinischen Bereich und der Vorstellung, dieses Verhalten würde das sogenannte normale Leben überwerfen, überschreiten. Für die TVs ging man nun mit dem Crossdressing um. In Büchern der letzten zwei Jahre spricht man vom Crossdresser.

Es ist zweifelhaft, ob wir Versuche machen sollten, mit Übersetzungskünsten in der deutschen Sprache ähnlich zu handeln. Zudem gilt ja als neuer Überbegriff für alle diese Verhaltensweisen jetzt »Transgender«, und darum nannte man die Zeitung so.

Das Wortpaar »sex – gender« können wir sowieso nicht in unserer Sprache nachempfinden. Dennoch könnten wir zumindest für den »TV« den »Crossdresser« als selbstgewählten Begriff einsetzen. Oder?

So long – für diesmal

RITA/Bremen

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Gesehen und gelesen – April 1996

So, nun haben wir sie erlebt… Immerhin fast 100 Minuten lang war sie und wurde zur besten Fernsehzeit an einem Samstag Abend ausgestrahlt: die Travestie-Show des RTL. Interessant, dass sie am gleichen Abend und zur gleichen Zeit eine Konkurrenz hatte, d. h. aus der alten Flimmerkiste hatte man die »Tollen Tanten« herausgeholt (Rudi im Sommerkleidchen…). Doch diese Tanten konnten mit den Schönheiten, Jugend und Eleganz der RTL-Damen natürlich nicht Schritt halten. Die Models von 1996, die uns präsentiert wurden, waren durchaus ansehnlich und der Titel »Miss Travestie« krönte eine Art »Jugendausgabe« der bekannten Mary. Aber man kann das wohl noch einmal in aller Ruhe nachprüfen, denn Teil des Titels war das Versprechen, der Stern würde über sie eine Fotoreportage bringen! Die Show selbst war nicht unbedingt originell aufgebaut. Man hatte eher den Eindruck einer Kopie von amerikanischen Sendungen ähnlicher Art. So war der Gang auf dem langen Laufsteg doch etwas unmotiviert und wurde in schneller Gangart absolviert. Ob die Jury, in der Linda de Mol und Lilo Wanders saßen, sich erst nach den beiden Darbietungen in Bademode und Abendrobe ein Bild machen konnte, schien wenig realistisch. Auch blieb die Frage des Betrachter unbeantwortet, warum man sich einen Schweizer als Moderator holen mußte und die Show von einem holländischen Entertainment Unternehmen gestaltet wurde – aber sonst: es lief alles glatt und professinell. Dabei hatte man wohl die Sorge gehabt, die Models würden nicht als Voll-»Machos« beurteilt und brachte daher seltsame Kurzportraits von ihrem Arbeits-/Hobbyleben, um zu demonstrieren: Sie stehen voll ihren Mann und trotzdem siehst du sie als damenhafte Geschöpfe. Ob das wohl nötig war?

Auf jeden Fall gab es bei einem anderen Sendeabend echte Entäuschung, nämlich bei der Arte Themenreihe »Konfusion der Geschlechter«. Zwar gab es einen guten Einstieg mit dem dokumentarischen Film über den Homo Quentin Crisp, doch die anderen Beiträge waren trotz des Interesse weckenden Gesamtthemas weder Hilfe noch regten sie zum Nachdenken an. Da kam weder der Transsexualismus noch der Transvestitismus zur Sprache. Verwunderlich eigentlich bei einem Sender, der sonst durch Qualität auffällt. Diesmal war man in der Redaktion schlecht beraten.

Gut beraten ist dagegen jeder, der sich entschließen kann, einen Fotoband aus den USA anzuschaffen. Betitelt ist er mit »Drag Diaries«, 128 Seiten mit vielen Fotos (39,80) und wurde 1995 von dem Umb Editionen/S. Fransisco verlegt. Man findet interessante Interviews mit Drag Artisten von Lady Bunny bis zu Lysinka, eine gute historische Darstellung, wie die Dragg Scene sich entwickelte, eine Bibliograpie und Filmchronik. Dazu RuPaul: »Du wirst nackt geboren und was immer du anlegst, es ist Drag«!

Eine Minderheit sind wir nach Untersuchungen, die man in den USA angestellt hat. Danach finden nur 1% der Befragten es interessant, Männer in Frauenkleider zu erleben, und nur 1% der Männer finden es erregend Frauenkleider zu tragen. Ob das nun stimmt oder nicht – auch Minderheuten sollten respektiert werden. Das beginnt man nun wohl auch langsam in China zu begreifen. Dort soll nach jüngsten Berichten die ersten staatlichen Sexual-Forschungen in Gang gekommen sein. In deren Verlauf haat Professor Liu Dalin auch einen Transvestiten erforscht. »Der Mann wollte immer Frauenperücken und einen BH tragen« so wird der Professor zitiert. Ja, so fängt es maanchmal auch in anderen Ländern an… Achtung für Filmfreunde. Aus den USA kommt als neueste Produktion ein Streifen, der eigentlich eine Neuauflage des Käfig voller Narren« ist. Er läuft aber unter dem Titel »The Birdcage« mit Erfolg in den amerikanischen Kinos und wird irgendwann sich auch bei uns landen. Doch bis dahin – so long

RITA/Bremen

getippt von Sandra S.

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Gesehen und gelesen – März 1996

Wissen Sie eigentlich, was ein »Morgestraich« ist? Oder eine Alti Danti? Vielleicht können Sie aber Cortege Clique - Drümmeli oder Guggemuusig definieren? Wer in der schönen Stadt Basel wohnt, dem sind alle diese Begriffe durchaus vertraut, denn sie beschreiben einen Teil der Basler Fasnacht (Bitte nicht mit einem »t« in der Mitte). Sie findet zur allgemeinen Verwunderung eine Woche nach dem Aschermittwoch statt, der sonst in allen Gebieten dies- und auch jenseits des Rheins und auch in anderen deutschen Regionen die bekannte Fastenzeit vor Ostern einläutet. Es ist also ein durchaus anders begangenes Brauchtum (seit dem Mittelalter, ca. um 1600), welches drei tolle Tage lang die guten Basler in Atem hält. Mit Larven versehen, die man sonst als Masken bezeichnet, ziehen Gruppen von Pfeiffern und Trommlern in köstlichen Kostümen und festem Schritt durch die teilweise engen Straßen der Innenstadt, die natürlich dann für jeglichen sonstigen Verkehr gesperrt ist. jede Gruppe hat ein Thema (Sujet) gewählt, es nimmt oft in bissiger Ironie einen Vorfall aus dem Lande aufs Korn. Dann kommen nicht selten stramme Männerbeine unter den zarten Reifröcken hervor, oder kräftige Gestalten schreiten in niedlichen Brautjungfer-Kleidchen einher. Wenn der wichtige Tambourmajor vorneweg als überdimensionierte »Dame« marschiert, dann ergibt das einen köstlichen Kontrast zu den »alten Tanten« (Danti), welche z. T. in kostbaren Rokoko-Kleidern in einem Landauer durch die Stadt gefahren werden. Alles beginnt um Punkt 4:00 Uhr in der Früh, wenn die Straßenlaternen ausgeschaltet werden und sich die Musikgruppen mit kleinen Laternen auf dem Kopf ihren Weg durch die Zuschauermenge bahnt. Ein toller Anblick.

Den bot auch am 18. Februar 96 wieder die Spielgemeinschaft des Kölner Männergesangvereins in einer Fernsehaufzeichnung. Die Gruppe ist als »Cäcilia Wolkenberg« in der Domstadt bekannt und brachte auch in diesem Jahr eine Art Musical auf die Bühne. Alle Rollen der Sänger, Tänzer und Statisten sind von Männern besetzt, mit einigen beachtlichen Leistungen. man wüsste gerne, ob es von diesem Spektakel auch Video-Bänder geben mag?

Vermutlich steckte in dem »Divertissementchen« der Kölner mehr Eigenarbeit der Beteiligten als den Darbietungen der Tuntenbälle, die wieder aus Berlin und Hamburg vermeldet wurden. Dafür hört man davon, dass jede der Teilnehmerinnen wohl viele Stunden für die Kleider und Präsentation in dem Trubel verwenden musste.

Viel Arbeit steckt auch in der neuesten Publikation für alle Reisende, die zugleich auch in der TV oder TS-Szene beheimatet sind. Zum 4. Mal haben es die eifrigen Forscherinnen aus London geschafft (Caroline und Vicky), zusammen mit regionalen Mitarbeiterinnen aufzulisten, was es in Europa (+USA/Asien) an vielversprechenden Adressen zu nennen gibt. Dienste, welche TV's in Anspruch nehmen können, Geschäfte mit freundlichen Angeboten und alle die interessanten Bars, Night Clubs und Bühnen – es findet sich im sogen. »Tranny Guide 96«, den man in London bei der WayOut bestellen kann. Zu empfehlen jedem Reisenden aus dem TV/TS-Bereich.

Unter den ernsthaften Beiträgen zum Geschlechtswandel-Thema habe ich diesmal ein Taschenbuch aus dem Rotbuch-Verlag auf dem Tisch liegen: Volkmar Sigusch, »Geschlechtswechsel« (1995/140 S./DM 16,-). Im Umfang relativ klein, aber in der Zusammenfassung der jahrelangen Erfahrungen dieses Direktors der Abteilung Sexualwissenschaft der Universität Frankfurt/Main eine überaus gewichtige Stimme. Dabei beeindruckend, wie ein derart qualifizierter Mediziner erkennen lässt, wie sich im Laufe der Jahre seines beruflichen Werdegangs neue Einsichten ergeben haben, alte Vorstellungen von ihm abgelegt wurden. Natürlich geht es um Transsexualität und ihre Entwicklung, noch wichtiger die Frage, welche Hilfen man Menschen geben kann, die sich in diesem Lebensbereich entdecken. Sehr zu empfehlen.

Hinweis auf Termine zum Schluss. Mit einem Treffen á la EuroFantasia wird es also in diesem Jahr nichts (so Jenny Sand). Aber zumindest will die Frankfurter Selbsthilfegruppe wieder ihre Tagung veranstalten. Der Termin ist 26. bis 28. April 96.

So long für heute.

Rita/Bremen

getippert von Claudia

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Gelesen und gesehen – Jamuar 1996

Im Fernsehen kann man zu jedem Jahreswechsel immer einige interessante Auftritte von Künstlern aus der Medienbranche erleben, die sich in unterschiedlichen Szenarien in Frauenkleidern zeigen. In den letzten Jahren hatte sich Peter Alexander einen Namen gemacht – etwa im Auftritt als Dame der britischen Monarchie. Diesmal hatten es ihm Tennisstars angetan, darunter auch eine weibliche Figur. Allerdings war diese nicht sehr überzeugend gelungen. Der Hauptgrund: etwas viel Übergewicht im kurzen Tennisdress. Vielleicht kommt sogar ein bewährter Wiener Alterstar in die Jahre…?

Im Kino gibt es in diesen Wochen aus den USA den »To Wong Foo«-Film, bei dem der Besucher bis zum Schluss nicht so recht versteht, wie es gerade zu diesem Titel kam. Aber die drei Darsteller, unter denen Patrick Swayze sicher als der bekanntere gilt, erleben nach Auftritt und Sieg in einem Drag-Contest in New York eine abenteuerliche Fahrt nach Westen, wo sie Hollywood erobern möchten. Unterwegs bleiben sie in einem kleinem, verschlafenem Nest hängen. Mit einer Ausnahme ahnt keiner der Bewohner, wer sich in den z. T. schrillen Klamotten verbirgt, und so kommt es zu köstlichen Begegnungen. Die drei Damen aus der Großstadt bringen gewaltigen Schwung in die Kleinstadt, und mehrere Beziehungen werden umgekrempelt. Als ein rachsüchtiger Sheriff zum großen Showdown ansetzt, werden die Drag Queens mit Herzlichkeit von den neuen Freunden verteidigt. Ein knallbuntes Erdbeerfest überzieht mit seinem Rot Menschen und Häuser. Bei der Verabschiedung gesteht die nette, schüchterne Hausfrau, dass ihr aufgefallen sei: Frauen hätten doch keinen Adamsapfel! Nun ja, nobody is perfect!

Besonders faszinierend der Vorspann. Man erlebt stückchenweise mit, wie aus 2 Männern zwei aufgedonnerte Entertainerinnen werden. Der Film ist unterhaltsam und sehenswert, kann sich aber nicht an dem Standard messen, den etwa »Priscilla« oder gar »Tootsie« gesetzt haben. Dennoch: ein netter Spaß.

Auf dem Büchertisch liegt diesmal das 2. Buch einer Niederländerin, deren Lebensspanne so beschrieben wird: vom Bauingenieur zur Striptänzerin. Johanna Kamermans lebt in Hamburg, der neue Titel ist »Künstliche Geschlechter - Nirwana oder Götterdämmerung?« (Edition Hathor, Hamburg, 34,- DM). In 16 Kapitel gegliedert, bemüht sich die Autorin »neue Maßstäbe in der transsexuellen Thermatik zu setzen. Es scheint, als wenn sie dabei doch eine sehr hohe Messlatte anlegt. Schon im Vorwort behauptet sie, es gehe nicht um eine Wertung von TS, sondern die Wahrheit zu schreiben. Kurz darauf möchte sie aber von der »typischen Selbstbeweinung« der TS wegführen und die »TS-Hybris« ablösen.

Immer wieder kreist ihre Darlegung um das neue Denken und die Transsexualität. Sicherlich hat sie mit ihrem Ansatz recht, vor einer zu schnellen operativen Umwandlung zu warnen. Aber man ist doch verwundert, wenn sie zum Schluss kommt, dass die derzeitige Transsexualität zu verstehen sei als eine »patriarchalische Vermeidungs-Strategie der Homosexualität«. Kein Wunder dann, wenn sie in »den Medien« die mächtigsten Patriarchen unserer Zeit sieht und das gleiche Urteil über Medizin und Wissenschaft fällt. Wer Interesse an derartigen Überlegungen hat, dem sei’s empfohlen, man kann aber auch Zurückhaltung üben…

Dies gilt nicht für eine höchst interessante Reportage der »Brigitte«. Überschrift: »Das dritte Geschlecht – in Indien gibt es eine Million Hijras – Frauen die keine sind. Die meisten werden als junge Männer gewaltsam kastriert.« Der Bericht schildert Einzelfälle, wie es der Stella ging, die sich freiwillig kastrieren ließ. Oder in welch engem Verbund diese Menschen leben, etwa in der Falkland Road in Bombay angesiedelt. Tänze und Riten bei Familienfeiern besorgen ihren Unterhalt oder aber Prostitution einfachster Art.

Der Film des WDR fing sehr stilvoll an: ein Zimmer im gedämpften Licht von Kerzen, ein großer Wandspiegel und dann der Mann, der sich ganz ruhig Damen-Kleidungsstücke anzog. Zum Schluss noch das Make-up und Perücke = fertig. Der Filmtitel: »Transvestiten« und der köstliche Untertitel: »Heimlich auf hohen Hacken«. Das konnte der Zuschauer auch erleben mit TV’s in Chemnitz, Frankfurt und Hamburg. Geraldine von der Frankfurter Selbsthilfegruppe sprach und erfreute uns im rauschenden Ballkleid, man konnte auch einen der farbenfrohen Schiffsbälle miterleben. Insgesamt also eine sehr dezente und gute Darstellung der »normalen TV’s« und ihrer Erfahrungen. Dazu gehörte auch ein Ehepaar, welches mitteilte, wie schwierig das Verhältnis zu kleineren Kindern werden kann, was die Rolle des TV-Vaters betrifft, oder ein anderes, in dem schon der weibliche Name des männlichen Partners zu Spannungen führte.

Etwas störend bei der durchgehend sonst klaren Konzeption: die Hamburger TV-Sister im Minirock, die selber zugibt, es sei wohl etwas provozierend, wenn sie mit kahlem Kopf in der U-Bahn mitternächtliche Fahrten unternimmt oder auch in der Aufmachung in der Damenabteilung einkaufen/anprobieren geht! Sonst aber: prima und besten Dank den Beteiligten, die mitmachten und TV-Erfahrungen und Gefühle weitergaben.

So long für heute.

Rita/Bremen

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Gelesen und gesehen – November 1995

Ohne Zweifel war es die sensationelle Nachricht des Monats für alle Transsexuellen: nach vielen Jahren der medizinischen Forschung meinen einige Spezialisten entdeckt zu haben, warum Mitmenschen diesen Weg einschlagen. es soll an einigen kleinen Nervenknötchen im Gehirn liegen. Mit diesem Ergebnis wären ja viele sonstige Erklärungsversuche zu den Akten zu legen. Sollten sich die neuen Thesen bestätigen, dann gibt es doch eine biologische Basis für diesen Drang zum anderen Geschlecht? Zumindest sind Forscher im Institut für Hirnforschung/Amsterdam bei ihren Studien von sechs Mann-zu-Frau-Transsexuellen zu den oben erwähnten Resultaten gekommen. In allen Fällen waren nämlich im Gehirn Zellkerne in einer Größenordnung zu finden, wie sie sonst nur in weiblichen Gehirnen vorkommen. Wäre dies auch die Antwort auf Fragen der TS selber, warum sie innerlich sich gezwungen fühlen, diesen Weg zu gehen?

Ganz genau wissen wir es noch nicht. So schnell können auch die beteiligten Mediziner keine abschließenden Erklärungen zum Thema abgeben. Denn Tatsache ist, dass die untersuchten TS-Frauen während ihres Lebens beachtliche Zugänge von Hormonen/Östrogenen hatten. Es ist möglich, dass sich dadurch die untersuchten Zellkerne verändert haben. Dann allerdings wären die entdeckten Merkmale eher das Ergebnis und nicht der Auslöser für die kleinen Zellkerne. Diese und andere Fragen bleiben derzeit noch offen, doch sind die Amsterdamer Forschungsergebnisse beachtlich. Vermutlich gilt aber für den einzelnen TS, was eine holländische »Betroffene« als wichtigste Folge ihrer Operation erklärte: »Ich fühlte mich, als wenn ich endlich eine Maske ablegen durfte, die ich eine lange Zeit hindurch tragen musste.«

Im gleichen Themenumkreis fanden sich noch diese Informationen: In Österreich sind Hoden eines Mannes rund 43.000 DM wert. Soviel ist das »Allgemeine Krankenhaus der Stadt Wien« nämlich bereit, einem ihrer Patienten zu zahlen, dem durch eine Verwechslung auf dem Operationstisch die Hoden wegoperiert wurden. man erinnert sich an den englischen Roman »Girl«, der diese Situation als Thema hatte. Manchmal holt die Wirklichkeit die Schriftsteller ein…

Etwas komplizierter ging es vor einigen Jahren in Kolumbien zu. Einem 6 Monate altem Jungen wurden durch einen Hund die Geschlechtsteile beschädigt. Die besorgten Eltern zogen den Kleinen als Kleine auf, später gaben sie ihm einen Mädchennamen, eine Hormon-Behandlung folgte. Inzwischen ist das Kind 16 Jahre alt geworden und wollte durch einen Gerichtsbeschluss einklagen, dass es selber sein Geschlecht festlegen dürfe und berechtigt sei, den weiblichen Namen abzulegen. Das Verfassungsgericht in Bogota stimmte dem zu. Ärzte in Medellin wollen dabei helfen, dass aus dem Mädchen nun doch ein Junge wird…

Im Fernsehen konnte man in diesen Tagen den chinesischen Film wiedersehen, der 1993 mehrere Filmpreise gewonnen und dann in einigen Kinos lief: »Lebewohl, meine Konkubine«. Er führt uns ein in die Welt der chinesischen Oper und wir erleben einen der Stars, Leslie Cheung auch in Frauenrollen, wie sie in der Kultur dieser Kultur-Institution liegen.

In Frankfurt ist dieser Tage ein Film gestartet, der von dem gut bekanntem Regisseur Rosa von Praunheim stammt. In dem Streifen »Neurosia« soll der Geheimtip aus der Berliner Szene – Desiree Nick – die Hauptrolle spielen. Als Gesine Ganzmann-Seipel soll es eine ausgezeichnete Leistung sein – warten wir ab.

Viel harmloser, aber doch beachtlich: In einer Serie von Fotografien, in denen bekannte Stars in eine veränderte Rolle treten, war im Stern auch der bekannte Plauderer Hans Meiser zu entdecken. Mit falschen Wimpern, Stöckelschuhen und Glitzerfummel versuchte er seinem Vorbild Dustin Hoffmann nachzueifern und wurde vor einer US-Flagge als Tootsie abgebildet. Besonders die etwas üppige Figur des braven Meiser ließ den Kenner doch stark an das Original denken.

So long – für heute.

Rita/Bremen

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Gelesen und gesehen – Oktober 1995

Riesige Mengen von neuen Büchern wurden in diesen Tagen auf der Buchmesse der Öffentlichkeit vorgestellt. Wie wäre es denn, wenn es eines Tages das »Buch des Monats« für alle TV/TS-Leser geben würde?

Zumindest für diesen Monat gäbe es einen klaren Favoriten. Es wäre das Buch »Girl«, welches trotz des englischen Titels in deutscher Sprache beim Hoffmann Verlag herausgekommen ist (320 Seiten, 36,- DM). Da wird folgende interessante Situation als Thema vorgestellt: Mann geht ins Krankenhaus, um sich die Weisheitszähne entfernen zu lassen – und wacht in der Frauenstation auf. Man hatte ihm versehentlich die Männlichkeit entfernt. Diese Switch-Komödie, die sich im St. Swithin Hospital ergeben hat, könnte von mancher Leserin vielleicht als die Erfüllung mancher Träume verstanden werden, unserem Held ist sie jedoch zuerst ausgenommen ärgerlich. Bradley Barret, sonst ein Frauenheld und Fußballnarr, sieht sich als Opfer eines argen ärztlichen Kunstfehlers, denn unaufmerksames Personal hatte zwei Patienten verwechselt.

Köstlich ist mitzuerleben, wie die neugeschaffene Miss Barret nach und nach immer mehr Freude an ihrem neuen Zustand gewinnt. Durch das eigene weibliche Wesen gewinnt sie ihren Platz in Beruf und Familie, selbst der Vater findet sich damit ab – wenn auch reichlich mühevoll. Trotzdem verklagt man das Hospital wegen des ärztlichen Kunstfehlers und der zuständige Richter spricht ihr eine durchaus beachtliche Abfindung dafür zu, dass sie nun für alle Zeit Jackie sein muss – was zu diesem Zeitpunkt ihr allerdings durchaus Freude bereitet. Ende gut – alles gut? Der Verfasser lässt seinem Helden (Heldin) keine andere Wahl und der Leser darf sich mitfreuen. Übrigens: David Thomas, der Autor, ist ein erfolgreicher britischer Journalist und gab zuletzt die satirische Zeitschrift »Punch« heraus. Die Empfehlung an die geneigte Leserin: Das Buch lesen.

Beachtlich: Aus Neuseeland kommt die Nachricht, dass zum ersten Mal auf unserem Erdball eine TS zur Bürgermeisterin gewählt wurde. Im fernen Wellington gelang das Georgina Beyer. Sie erlebte vor 13 Jahren ihre umwandelnde Operation und trat im Alter von 38 Jahren diesen Posten an. Wir wünschen: Good Luck!

Verblüffend: was man von den früher so gefürchteten Stasi-Offizieren erfahren kann. Dem Bericht eines bekannten Wochenblattes entnehmen wir: Ende der achtziger Jahre gab es da eine Party, an der sich verdiente Genossen als »Feministen, Bischof und Transvestit« verkleideten. Doch kein Neid, das davon vorhandene Farbfoto zeigt, dass die so wissenshungrige »Firma« wenig Ahnung davon hatte, wie man sich in eine nette Dame verwandelt…

Hin und wieder hatte man ihn ja schon in einigen Magazinen erblicken können, den derzeit längsten Travestie-Star. Der Liebling der amerikanischen Szene soll 2,10 m messen (ohne Stöckelschuhe) und hört auf den Namen Ru Paul. In Filmen und Fernsehen ist sie schon aufgetreten. Sie ist die erste »drag queen«, die jemals von einer großen amerikanischen Kosmetikfirma als Model angestellt wurde. Nun kann man auch Einzelheiten über den verblüffenden Aufstieg eines jungen Farbigen aus Louisiana, der es nach harten Jahren schaffte, die Bühnen von Atlanta bis nach New York zu erobern und Star in vielen Cabarets zu werden. Auftritte gab es auch in Europa: Vom Filmfest in Cannes bis zu einem Interview mit Karl Lagerfeld im deutschen Fernsehstudio soll es gegangen sein. Leider kann man es bisher nur in der englischen Autobiographie von Ru Paul nachlesen (Hyperion Verlag, New York, 228 S.). Interessant!

So long für diesmal.

Rita/Bremen

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Gelesen und gesehen – September 1995

Zu allen Zeiten haben einige Männer Frauenkleider angezogen. Aber nur im europäischen Barock haben sie es getan, weil die katholische Kirche es so wollte. Stimmt dieser Satz? Eigentlich schon, nur hängt alles von dem sogenannten »kleinen Unterschied« ab. Genauer gesagt von der Frage, ob denn jene Megastars auf den Opernbühnen Männer im vollen Sinne waren?

Wer es denn genauer wissen will, könnte sich in diesen Wochen den höchst effektvollen Film über »Farinelli« ansehen, er trägt den Untertitel »Il Castrato«. Es waren ja Kastraten, Jungen, die man vor dem Stimmbruch operativ »entmannte«, um so die hellen Knabenstimmen zu erhalten. Im 17. Jahrhundert hatten sie in den Kirchen bereits große Bedeutung, denn weil viele Frauen durch ein Kirchenverdikt gehindert wurden, öffentlich aufzutreten, praktizierte man diese »Lösung«, die den Musikern zu passen schien. Allerdings ist die wundervolle Stimme, die wir im Film hören, tatsächlich eine technische Leistung, denn die echte Stimme einer Sopranistin und eines Counter-Tenors wurden so gemixt, daß uns Farinelli zum Staunen bringt, wenn er den Mund öffnet.

Da »androgyn« eigentlich In ist, ruft dieses farbenfrohe Musikdrama etliches Interesse beim Publikum hervor. Wenig sagt es uns aus über das Rollenspiel der Geschlechter, wenn auch die sexuellen Fähigkeiten (oder Grenzen) des Film-Farinelli eine beachtliche Rolle spielen. Aber der geneigte Leser wird auf etliche Bücher hingewiesen, die auch dieses Thema behandeln und derzeit auf dem Markt sind, wie z. B. H. Krausser »Melodien«, M. de Moor »Der Virtuose« u. a. In Italien jedenfalls soll nach einer gelungenen Opartion/Kastration manchmal der Ruf ertönt sein »es lebe das Messerchen«. Nun denn, mein Tip: den Film ansehen.

Sehenswert könnte auch die neue Show sein, mit welcher die uns bekannte Mary in den nächsten Wochen durch die Lande ziehen will. Weniger geglückt war dagegen wohl ihr Ausflug in die medizinischen Bereiche unseres öffentlich-rechtlichen Fernsehens am 2. September. Wir reden von »Mary's verrücktem Krankenhaus«, in dem sie mit dem eher distanziert wirkenden K. Wussow zu sehen war.

Erfreulich daher, wie sie ihre Selbsterkenntnis in einem Interview zum Ausdruck brachte: Mary sei tatsächlich in die Wechseljahre gekommen und wollte darum nicht mehr als Modepüppchen herumlaufen. Wir registrieren dieses Versprechen.

Obwohl ich das Monatsmagazin nicht regelmäßig lese, so war doch der Hauptartikel interessant, der dort neulich zu entdecken war: »Travestie von gestern?« A. Wittorf schreibt nicht nur über die Profi-TV’s, wie sie im Pulverfaß zu Hamburg auftreten, sondern stellt fest: zumindest im Bereich der Szene in unseren Großstädten würden die Auftritte der Fummel-Tanten zurückgehen. »Fummel, Federboa, falsche Wimpern, wo sind sie geblieben?« so fragt er. Nun, es gibt auch noch andere Minderheiten-Gruppen, in denen er solche Attribute auch jetzt noch finden wird. Aber es scheint zu stimmen, schrille Kostüme sehen wir heute eher auf einer Streetparade als in der entsprechenden Szene. Interessant. So long für heute.

Rita/Bremen

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Gelesen und gesehen – Juni 1995

Nun wissen wir es genau. Viele Japaner möchten nicht gerne sein, was sie eigentlich sind. So jedenfalls kann frau die Umfrage verstehen, die dieser Tage veröffentlicht wurde. Frau hatte ca. 3000 Japaner befragt. Immerhin wollten 148 dieser Befragten lieber als eine Hausfrau wiedergeboren werden. Die Begründung : die könne mittags ein Schläfchen machen und habe am Tag drei geregelte Mahlzeiten!

Ernsthafter wird es, wenn ein Frankfurter Amtsgericht zu einem Urteil kommt, bei dem es ursprünglich um das Sorgerecht für eine Tochter geht, tatsächlich aber die Transsexualität des leiblichen Vaters die entscheidende Rolle spielt. Früher hatten die nun eigentlich getrennt lebenden Eltern das gemeinsame Sorgerecht. Nun aber wird die Geschlechtsumwandlung des Vaters in den Mittelpunkt gerückt. Er (jetzt als Lisa lebend), sei aufgrund der derzeitigen persönlichen Problematik »so sehr beschäftigt, dass dadurch auch die Frage der Kindeserziehung und Betreuung stark beeinflusst werde.« Interessant, dass im Gegensatz zu dieser Position das zuständige Jugendamt feststellte, dass von der fünfjährigen Tochter die Transsexualität des Vaters »in keinster Weise als gefährdend, bedrückend oder problematisch« erlebt würde. Nun gibt es hinsichtlich der besonderen Situation von TS-Vätern zu Kindern gewiss viel abzuklären, in diesem Fall ist jedoch vor allem wichtig: die endgültige Entscheidung steht noch aus.

Dies trifft nicht für zwei Bücher zu, die diesmal vorgestellt werden sollen. In deutscher Sprache liegt vor:

Titel: »Das dritte Geschlecht«, Autoren: Bader/Behnke und Back, Verlag: Rasch und Röhrig, Hamburg, 240 Seiten / 32.- DM. Ein sehr hilfreicher Band für alle Interessenten, die vorwiegend über Transsexualität informiert sein wollen. Dazu tragen die zahlreichen Interviews mit pre- und post-TS in Deutschland bei. Die Herausgeberin arbeitet in der AIDS-Stiftung-Hamburg mit und hat von dort her auch die meisten Biographien erstellen können, d. h. aus dem norddeutschen Raum. Wenn sie auch auch im Untertitel erwähnt werden, erfährt frau über Transvestiten recht wenig, außer einem Gespräch mit Claus/Claudia fast nichts. Dafür findet sich in der zweiten Hälfte (ab S. 185) ein ausgezeichneter »Ratgeber«, in dem die verschiedensten praktischen Fragen unter den Stichwörtern Coming-Out und Alltagstest bis hin zur bebilderten Schilderung der Operation verständliche Darlegungen anbietet. Interessant auch die Gespräche mit den »Fachleuten«. Einer von ihnen – Neurologe und Psychiater in Hamburg – gibt eine ausgewogene Meinung weiter, wenn er darlegt, er würde in den Beratungen versuchen zuerst die »Option Operation« zu umgehen und sie ganz hinten anstellen. Um so ärgerlicher ist es da, wenn es auf der nächsten Seite um den »Vergleich« von Transsexuellen und Transvestiten geht: »Ein Transvestit macht sich immer über Frauen lustig. Transvestiten sind ja fast immer Homosexuelle.« !!! Wie gut, dass die angefügte Adressenliste von Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen nun schon 20 Anschriften in ganz Deutschland umfasst. Vielleicht kann unser Hamburger Doktor da auch noch seine Erfahrungen und sein Wissen erweitern? Insgesamt: eine gute und empfehlenswerte Produktion.

Das trifft auch für ein TB in englischer Sprache zu: »Gender Outlaw«, Verlag: Vintage Books / New York; erschienen 1994 – 254 Seiten. Der Untertitel: One man, women and the rest of us. Ein in den USA bekannter Star ist die Autorin. Im Klappentext heißt es: sie sei ein erfolgreicher Mann gewesen IBM-Verkäufer und dann zur lesbischen Frau geworden. Sie wurde auch zur Schauspielerin und schrieb ein Stück, welches 1989 zum ersten Mal auf einer Bühne in San Francisco aufgeführt wurde. Erfrischend und völlig unkonventionell ihre Art der lustigen und nachdenklichen Erzählung ihrer Biographie. Sie fasst viele heiße Eisen an, die sonst in der TS-Szene oft verschwiegen werden. Insgesamt: Eine Lektüre, die zum Nachdenken anregt.

Und wer hat neulich (13.6.) den seltsamen Fall des »Papa trägt Frauenkleider« in der Reporter-Sendung des Ulrich Meyer gesehen? Die Story: in einem kleinen Ort Westfalens haben zwei Söhne ihren Vater verklagt wegen seines Verhaltens. Das würde ihre Freunde vergraulen und für die berufliche Laufbahn schädigend sein, so beklagten sie sich. Als der der Betroffene selbst und seine frühere Ehefrau auch noch auftraten – da wurde es dem informierten Zuschauer doch etwas mulmig.

So long – für diesmal.

RITA / Bremen

Abgetippt von Chantal am 16. Juli 1995

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Gesehen und gelesen – Mai 1995

Was haben eigentlich Mary und Dr. Wussow gemeinsam? Einen Fernsehauftritt am Muttertag-Abend zur besten Sendezeit! Im Fall von Mary ging es um den Publikumsliebling »Musikantenstadl«. den sonst eher auf Volksmusik getrimmten Zuschauern wurde diesmal in einer Riesenhalle in Zürich dieser wie gewohnt schlagfertige und mit blendend schlanker Figur auftretende Travestie-Star dargeboten. Was für ein Einfall des bekannten Moderators, nach Mary den alternden Vico (Torriani; Anm. d. Abtipperin) aus Schweizer Gefilden auftreten zu lassen!

Da ging es doch etwas betulicher zu beim Programm des »Richters zum Küssen«. Hier ging es nicht um schnöde Unterhaltung, sondern um eine ganz edle Sache. Denn nur deswegen schlüpfte der gutherzige Amtsrichter in Damenkleidung (Größe 48 – so bezeugte er selbst). Er wollte seine Neffen und Nichten vor einem schlimmen Schicksal retten. Was als deutsche Filmkomödie angekündigt wurde, brachte den würdigen Dr. Wussow in diese seltsame Lage (natürlich ein Remake bekannter Filmvorlagen…). So kam es zum etwas irren Kleidertausch im Bürozimmer des Amtsgerichtes (mit Blick auf die sehr biedere Damen-Unterwäsche des Herrn Richters) und der durchaus unwahrscheinlichen Schnell-Verkleidung auf dem WC des Ballhauses. Während, rein fachlich betrachtet, das Make-Up wenig überzeugte, gab es wenigstens einige nette Garderoben zu sehen, wie etwa das Ballkleid oder das blau-weiße Kostüm. Trotzdem: Ein Riesenabstand zum Vollprofi Mary in dieser Hinsicht…

Was haben eigentlich Stern und Brigitte gemeinsam? Beide sind weitverbreitete Publikationen und beide brachten in letzter Zeit Berichte mit diversen Fotos über ungewöhnliche Gruppen in unserer Gesellschaft – einmal über ein Transvestiten-Treffen in den USA (Fantasy-Fair in der Brigitte) und über die Erlebnisse einer Berliner Transsexuellen (im Stern). Doch im zweiten Fall kann man sich nur enttäuscht abwenden, etwa so wie die Titelfigur des STERN. Dabei klang das Thema eigentlich interessant: »Die Lust am anderen Geschlecht«. Die danach gestellte Frage: »Ist Jürgen jetzt Eva?« wurde von Seite 48 ab behandelt. Schon im Untertitel wird ein Hinweis zur Beantwortung gegeben: dieser Jürgen habe sich zur Kastration entschlossen, »in der trügerischen Hoffnung, sein Leben zu meistern«. Damit wäre die Sache ja geklärt. Trotzdem führt uns die Autorin in einen semi-dokumentarischen Bericht. Sollte sie alle Bücher gelesen haben, die sie dann als »Literatur« anführt, dann stellt sich die Frage, warum sie gerade den Jürgen ausgewählt hat. Wenn dessen Gutachter nämlich eigentlich nicht von seinen Wünschen zu einer Operation überzeugt sind, wenn er selber ziemlich überheblich meint, die Selbsthilfegruppe in seiner Stadt könne ihm Nichts vermitteln, wenn er nur »weibliche Psyche« demonstriert und es ihm nach der Operation in mehrfacher Hinsicht schlecht geht – was war dann der Zweck dieses Berichtes? Hatte man sich vielleicht vorher schon vorgenommen, ein typisches Negativ-Beispiel vorzuführen? Dann sollte man dies aber auch deutlich aussprechen. Oder geht es der neuen Eva inzwischen erheblich besser? Auch dann sollten wir Leser davon etwas erfahren.

Es ist jetzt 42 Jahre her, daß mit dem amerikanischen Film »Glen oder Glenda« zum ersten Mal in einem Spielfilm eine Geschlechtsumwandlung dramaturgisch behandelt wurde. Allerdings war der Regisseur ein Edward Wood, der als ein völlig erfolgloser Filmemacher klassifiziert wird. Doch in diesen Wochen wurde ihm bei den Filmfestspielen in Cannes ein Streifen gewidmet (»Ed Wood«). Er soll ab Mitte Juli in unsere Kinos kommen. Ed Wood war selbst überzeugter Transvestit, und von seinem Biographen Rudolph Grey wird berichtet, daß Edward Wood als Soldat im 2. Weltkrieg stets weibliche Unterwäsche unter seiner Uniform trug.

In Paris spielt »Ich kann nicht schlafen«, in dem ein farbiger und homosexueller Transvestit (wiedermal das alte Vorurteil! / Anm. der Abtipperin) eine Rolle spielt. Dieser Film ist derzeit in verschiedenen Städten in den Kinos.

Zum Schluß ein Tip: Anfang Oktober soll es wieder ein Treffen für Transvestiten geben (die Herbstpromenade / Anm. der Abtipperin). Claudia und Eva (sowie Chantal / Anm. der Abtipperin) haben nähere Informationen.

Für heute : SO LONG !

RITA / Bremen

Abgetippt von Chantal am 19.06.1995

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Gelesen und gesehen – April 1995

Es geht vor allem um die Tochter in dem Film aus Kanada, mit dem seltsamen Titel: »Das Geschlecht der Sterne«. Aber das mit den Sternen ist halt einer der vielen Gedanken, die durch die 13-jährige Tochter ausgedrückt wird, die ihrem verschwundenen Vater nachtrauert. Also – so ganz verschwunden ist er nicht. Vielmehr ging der bis dahin erfolgreiche Wissenschaftler nach New York, unterzog sich »der Operation« und steht nun eines Tages als Frau wieder vor Tochter und Ex-Ehefrau. So jedenfalls steigt der Film in die Schilderung von Beziehungen ein, welche vor allem diese drei Familienmitglieder aneinander binden und abstoßen.

Der Film tut dies mit sehr guter Fotografie und kräftigen Farben, obwohl es manchmal auch etwas stark nach »Studio« riecht. Natürlich interessiert besonders die Darstellung der neuen Marie-Pierre. Ein Schauspieler, der uns diese Frau sehr vorsichtig zeigt und eigentlich weniger auf überzogenen Kleiderfummel oder extremes Make-up abhebt. Er bleibt auch glaubhaft, als er sich in einer Schlußszene völlig überraschend kurz in den Pierre zurückverwandelt, der er einmal war. Meist geht es traurig oder gar tragisch zu, denn die Tochter will nicht loslassen von dem Trugbild, daß sie sich von dem fernen Vater gemacht hatte, und bei der Ex-Ehefrau schlägt die frühere Liebe in knallharten Haß um. Marie-Pierre aber kann sich von dem Bann zur Tochter nicht lösen, wird ihr zeitweise regelrecht unterwürfig und kann ihr offenbar nicht helfen zu verstehen, daß die früheren Zeiten endgültig zu Ende sind. Diese emotionalen Berg- und Talfahrten können durchaus wirkliche Erfahrungen verheirateter TS darstellen und sollten darum keiner TS-Selbsthilfegruppe erspart werden. Wer diesen Weg gegangen ist – oder gehen will – sollte sich unbedingt den Erlebnissen aussetzen, um zu prüfen, wie es im eigenen Leben zugeht.

Ach ja, die letzten 10 Minuten des Films! Da bleibt die Story unbefriedigend und es wird dem »normalen« Zuschauer sicherlich unerklärlich, warum Marie-Pierre nun doch dem Drängen der Tochter nachgibt, um … ja, man weiß es nicht, es scheint mir, als wenn der Film irgendwie enden mußte, aber warum so???

Sonst aber: unbedingt ansehen. Eine derartig ernsthafte Darstellung schwieriger Abläufe im TS-Leben habe ich im Kino bisher noch nicht gesehen.

Sehr viel leichter geht es bei dem neuen Film über die Glitzerwelt der Modebranche in Paris zu: »Pret-a-porter«. Aufregende Kleider, hübsche Models, aber auch ein kurzer Blick in die Pariser TV-Szene. Dort erleben wir einen der eleganten Modeleute plötzlich in einem rosa Chanel-Kostüm beim kleinen Abendessen im Kreise anderer TV’s. Jetzt fällt es einem ein: die wasserstoffblonde Begleiterin hatte ja so emsig Pariser Modegeschäfte abgesucht – nun hatte sie für ihren Boss die komplette Damengarderobe zusammen. Praktisch.

Eine überraschende Nachricht kommt auch aus China. Der einzige Ballettänzer, der sich zuvor einen Namen gemacht hatte und dann ein überaus selten verliehenes staatliches Stipendium für ein Auslandsstudium erhielt, möchte ein neues Gebiet studieren. Als Jin Xing 1993 in die Heimat zurückkehrte, stand sein Entschluß fest: er wollte sich zur Frau umoperieren lassen. Während hunderte ähnlicher Wünsche bisher von den offiziellen Vertretern abgelehnt wurden, gab man bei Jin nach. Er hat bereits Brüste eingepflanzt bekommen, Haarentfernung erlebt und in diesen Tagen »die Operation« erfahren. Beamte des Kulturministeriums besuchten ihn im Hospital, um über seine weitere künstlerische Laufbahn zu verhandeln. Sein Kommentar: »Die Menschen sollen wissen, daß nichts im Leben unveränderlich ist. Immer gibt es ein »vielleicht«. Bravo Jin.

Ähnlich wie Jin dachten wohl auch zwei Fernseh-Komiker in Japan. Beide stellten sich als Kandidaten für Bürgermeister-Ämter vor und gewannen. Yukio hatte in einer Fernsehreihe in Tokio schon die Rolle der »vorlauten Großmutter« gespielt und von Knock Yokoyama gibt es Fotos von seinen Auftritten als Tänzerin. Er ist nun Bürgermeister in Osaka, wie sein Kollege es auch in Tokio geschafft hat. Was es nicht alles gibt!

So long für heute von

Rita/Bremen

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Gelesen und gesehen – März 1995

Sicherlich haben noch nicht alle einen Fernseher zuhause, und sicherlich konnten nicht alle die Chance wahrnehmen, am frühen Nachmittag die Sendung zu sehen, in der Ilona Christen als Talk-Masterin in diesen Tagen wirkte. Aber am 10. März wäre das um 15.00 Uhr wert gewesen zu tun, denn das Thema »Transvestiten« stand auf dem Programm. Eine Stunde lang waren da interessante Menschen im Studio. Von der schwarzhaarigen, jungen Tam Yu aus Vietnam über Layla, die in der Bundesbahn als geschätzter Werkmeister arbeitet, bis zur liebevollen Linda aus den neuen Bundesländern kommend, waren fünf sehr unterschiedliche Vertreter dieser Lebenshaltung zu erleben. Besonders interessant war es auch, dass zwei der TV’s ihre Lebenspartnerin bzw. Ehefrau mitgebracht hatten. So hörte man aufmerksam zu, als Iris-Regina davon erzählte, wie sie die TV-Praxis ihres Mannes empfindet.

Sehr offen und nur positiv sprach sie davon, ergänzte sie auch, dass sie sowohl bei den Kleidern mithelfen würde (sie hat einige selbst geschneidert!), ihrer Layla mit den Perücken hilft und sie praktisch als ihre »beste Freundin« erlebt. Allerdings bekannte sie auch: im Bett würde sie nur den Mann sehen wollen, im Haushalt dagegen helfe die Freundin gerne mit.

Nicht ganz so viele Einblicke gewährte uns interessierten Zuschauern die Barry, welche während der ganzen Sendung zärtlich die Hand ihrer Linda hielt (Maschinenbauingenieur aus der ehemaligen DDR). Sie finde einen Transvestiten viel besser als den gewöhnlichen Mann, denn mit dem TV könne sie sich über alle Frauenfragen unterhalten. Doch sonst ging es hier auch weniger um ein Ausleben dieser Neigung in der Oeffentlichkeit, Linda ist TV vorwiegend zu Hause. Insgesamt war die Sendung eine durchaus vorsichtige Darstellung des Themas, sie vermittelte einige Einblicke in diese interessante Lebensweise und vermied jeden sensationellen Seitenblick auf die TV’s.

Aufregender geht es im Ausland zu, wie diese beiden Infos aufzeigen: da ist man in den USA zumindest in einer Stadt einen wichtigen Schritt weitergegangen. Seit dem 12.12.94 gibt es in San Francisco ein neues Gesetz, durch welches jede Diskriminierung von »transgender people« verboten wird. Dies bezieht sich sowohl auf eventuelle Übergriffe der Polizei als auch auf Fälle, in denen man den Zugang zu Kliniken oder sonstigen Einrichtungen des Gesundheitswesens verwehrt hatte. Auch alle Einrichtungen der Stadt, inklusive Toilettenanlagen sind nun zugänglich (in den USA versteht man unter »Transgender« TV- und TS-Personen).

Noch erstaunlichere Hinweise kommen aus Kuba. Dort soll nach langen Jahren der Unterdrückung von Homosexuellen, TV’s und TS eine gewisse neue Einstellung der Behörden zu beobachten sein. So wurde zum ersten Mal seit langer Zeit eine Travestie-Show in einem Theater der Stadt genehmigt, die zu Ehren eines an AIDS gestorbenen Künstlers gestaltet wurde. Auch können jetzt pre-Op-TS offen ihre Neigung in Kleidern ausleben, doch eine offizielle Zustimmung zu verändernden Operationen müsste durch den kubanischen Staatsrat erfolgen. Doch es sieht aus, als wäre da Licht am Ende des Tunnels…

In diesen Wochen finden in Frankfurt zwei interessante Fotoausstellungen statt – leider nur bis zum 26. März. In der Römerhalle sind es die Fotos von TS von Daniel Fuchs, im Fotografie-Forum sieht man Transvestiten aus New York auf dem Strich, fotografiert von Vincent Alan W.

Noch zwei Infos betreffend Filme: Köstlich im Fernsehen (ZDF) die Ausstrahlung von »Drei Frauen und kein Mann«. Mehr gewichtigen Inhalt verspricht nach Meinung der Kritiker der kanadische Film »Das Geschlecht der Sterne«. Geschildert wird, wie die zwölfjährige Tochter Camille nicht fertig damit wird, dass ihr Vater durch eine Operation zur Frau wurde. Als sie tatsächlich die Begegnung mit der neuen Marie-Pierre erlebt, bringt ihr das große Enttäuschung und Abwehr. Vermutlich lohnt es sich, den Streifen mal anzusehen.

So long aus Bremen Rita

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Gelesen und gesehen – August 1994

»Ist die Männlichkeit in Gefahr« – mit dieser aufregenden Frage einer billigen Tageszeitung wollen wir unsere Umschau einleiten. Wissenschaftler sollen festgestellt haben, daß die zunehmende Verwendung künstlicher Östrogene in den letzten Jahren zu verblüffenden Resultaten in der Umwelt geführt zu haben scheint. Östrogene, die in Form der Pille von Frauen eingenommen werden, geraten auf Umwegen über Abwasser, Kläranlagen, Trinkwasser etc. in verstärktem Maße auch in den Nahrungskreislauf. Die Ergebnisse erster Untersuchungen lauten: »Insgesamt zeigt sich eine schleichende Verweiblichung der Natur« (so Mr. Sharpe/Edinburgh).

Fischmännchen in mehreren Gewässern hätten schon weibliche Eigenschaften entwickelt. Schaufelstöre in Missisippi pflanzen sich nicht mehr fort wegen der hohen Chemiekonzentration, und auch bei Menschen deuten sich verstärkt ähnliche Probleme an. Jedes fünfte Paar bleibt heute schon ungewollt ohne Kinder wegen Potenzstörungen. Vielleicht regt das manche unserer Leser/innen nicht so sehr auf! Und die M-zu-F-Ts wußten natürlich schon seit Jahren, daß sie bei der Chemie Hilfestellung für ihre Umwandlung erfahren konnten. Vielleicht kann man in Zukunft einfacher verfahren und abwarten, bis genügend Östrogen-Reste in unserer Nahrung sind und die die Umwandlung dann sowieso auslösen…?

Weniger dramatisch, dafür um so fröhlicher soll es in zwei neuen Filmen zugehen, die in diesen Tagen in den USA fertiggestellt werden. In einem wird Mr. Schwarzenegger – bekannt als Action-Macho in früheren Streifen – als erster Mann der Welt im neuen Knüller »Junior« werden und aufgrund wissenschaftlicher Experimente schwanger werden. Als Vater taucht sein Partner Danny DeVito auf. Sehr origenell ist die Idee nicht, warten wir den Film ab. – Interessanter klingt die Story, nach der man drei amerikanischen Schauspielern je eine »drag queen« als Beraterin zugeordnet hat, damit sie ihnen für den neuen Film (An Wong Foo – Dank für alles) beibringt, wie man auf hohen Damen-Pumps gut schreiten kann und in chicen Abendkleidern dahinschwebt. Es soll um drei Crossdresser gehen, die quer durch die USA reisen müssen, um an einem Schönheitswettbewerb in Los Angeles teilzunehmen. Die Stars: Patrick Swayze, Wesley Snipes und John Leguizamo – alles klingt vielversprechend, mal sehen, wie es dann in unseren Kinos aussieht.

Schon vor einiger Zeit entdeckten wir auf unseren Plakatwänden den schwarzen Sprinter Carl Lewis in tollem Body-Suit und roten Pumps. Heute ist nachzutragen: für diese Werbekampagne erhielt er von den Pirelli-Leuten 1 Million DM. Nicht ganz so viel haben sicherlich die fünf Fallschirmspringer erhalten, die sich in Satinkleid und schwarzen Perücken einen interessanten Test unterzogen. Im Freiflug testeten sie in den USA die Güte dieser besonderen Perückenmarke. Vielleicht bildet sich hier eine Marktlücke für engagierte TV’s aus? Darf man schüchtern darauf hoffen, daß sich auch bei uns einige Werbeleute solche Gags einfallen lassen und vielleicht einige von uns in Zukunft so ihr Brot verdienen können…?

Ein neues Thema: in den USA begegnet man immer weniger dem Begriff »TV«, dafür wird immer häufiger von »Transgender«-Leuten gesprochen. Manchmal sind Worte nur Schall und Rauch… manchmal setzen sich aber neue Begriffe fest und dann müßten wir wissen: soll es so auch im deutschen Sprachbereich sein? Beim großen Stonewall-Marsch in New York konnte man jedenfalls nur noch diese Bezeichnung auf den Plakaten entdecken.

Zum Schluß eine neue Buchanzeige: 1994 im Schweizer Verlagshaus erschienen: »Rosalin – eine Frau geboren im OP« (194 S. DM 24,80). Autobiografischer Bericht, in dem Rosalin genau das schildert, was auch der Titel verspricht, allerdings erst ab Seite 115. Zuvor viele Erlebnisse und Enttäuschungen homosexueller (lesbischer ?) Art. Ehrlich geschildert und mit klaren Angaben einer Entwicklung im Schweizer Umkreis. Kontakt zu irgendwelchen TV/TS-Gruppen hatte Rosalin offenbar nicht. Zitat: »Mein Leben ist viel ruhiger geworden. Ich lebe heute in meinem eigenen Haus. ich habe mein Ziel erreicht – das macht mich glücklich und stolz«.

Auch ich habe das Ziel erreicht, Sie, lieber Leser, zu informieren.

Rita/Bremen

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Gesehen und gelesen – Juli 1997

(diesmal direkt aus New York)

Ganz genau hat sie niemand zählen können. Waren es tatsächlich 1 Million Teilnehmer oder nur 600.000, welche Straßen und Plätze New Yorks beim Jubiläumsmarsch »25 Jahre Stonewall« füllten? In jedem Fall war es die gewaltigste Demonstration stolzer Gay & Lesbian people, die diese Stadt je erlebte.

Der Anlass: am 27. Juni 1969 kam es zum ersten Mal dazu, daß sich empörte Gays, Lesbians und TV’s bei einer Durchsuchung der Polizei in ihrem Treffpunkt, der »Stonewall«-Gaststätte, sehr handgreiflich wehrten. Dieser »Aufstand« brachte in den USA eine Bewegung in Gang, die gleiche Bürgerrechte für alle forderte, unabhängig von ihrem sexuellem Verhalten.

An diesem Sonntag war dies Vergangenheit. Gegenwart waren Zehntausende, die am UNO-Gebäude vorbei auf breiten Avenuen entlangzogen bis zum Central Park. Verblüffend die internationale Dimension dieses fünfstündigen Marsches. Wie bei einer Olympiade folgte Nation auf Nation mit ihrer Flagge und sehr unterschiedlich großen Delegationen: Australien, Brasilien, Chile, Dänemark, Mexiko, etc. Auch Germany mit ca. 6 TV’s war vertreten.

Von vielen Gruppen erscholl immer wieder die Forderung: Gleiche Rechte für alle Bürger! Es war auch eine politische Demonstration gerichtet an die US-Bundesstaaten, aber auch der UNO wurden später Bittschriften bezüglich Ländern, wo Gays auch heute noch verfolgt werden, übergeben. Selbst dem Bürgermeister dieser 7,3 Millionen-Stadt wollte man fast die Teilnahme verbieten: Zu oft hätte er Anti-Gay-Positionen unterstützt. (Er machte dann doch mit!)

Übrigens: Nirgendwo entdeckte ich ein Schild einer TV- oder TS-Gruppe. Dafür marschierten kleinere Gruppen hinter dem Plakat »TRANSGENDER«. Was bedeutet das Wort in unserer Sprache? Vielleicht sollten wir es einfach so übernehmen, jede Übersetzung erschwert das Verständnis nur (gleiches gilt für Crossdresser). Bereits eine Woche vor dem Marsch hatten in der Stadt das Sportfest »Gay Games IV« und eine Kulturwoche begonnen. Für letztere fand ich im Veranstaltungskalender u. a. 14 Theater- und Kabarettaufführungen, 10 Konzerte und Musikprogramme, 3 Tanztheater, 4 Kunstausstellungen, 2 Filmfestivals und 25 Discoparties. Beim Sportfest wurden etwa 10.000 Teilnehmer gezählt, und es gab Wettkämpfe u. a. im Marathonlauf, Fußball, Volleyball, Eiskunstlauf, Frauen-Ringen, Turmspringen usw. Eindrücklich zeigte man damit: Es geht nicht nur um die sexuelle Orientierung dieser Menschen. Sicherlich waren die Veranstaltungen von unterschiedlicher Qualität. So war eine Travestieshow mit »Lady Bunny« recht provinziell. Das Konzert im Madison Square Garden »Here and Now« mit 100 Musikern dagegen ausgezeichnet.

Alle großen Tageszeitungen berichteten, selbst die renommierte New York Times hatte mehrere positive Artikel. Dabei erfuhr man manche Details. So waren in der Menge viele, die sich damals zur Wehr setzten gegen Polizeiübergriffe, auch einige TV’s. Sie zogen die Pumps aus und droschen auf die Beamten los. Davon war jetzt kaum die Rede. Die Akzente haben sich seither verschoben: nun geht es um die rechtliche Gleichstellung und verstärkte Hilfe für die AIDS-Opfer in den USA.

Ein bewegender Moment: Als ein großer Gay-Männer-Chor auf der Central Park Avenue den Marsch zum Halt brachte und mit Hunderten von Zuschauern das bekannte Lied schwarzer Bürgerrechtler anstimmte: »We shall overcome one day.« Wollen wir es hoffen, für die amerikanische und unsere Gesellschaft.

Rita/Bremen

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Gesehen und gelesen – Mai 1994

Es scheint wirklich so zu sein, als wenn für TV’s in Deutschland bessere Zeiten anbrechen! Zum ersten Mal in meinem Leben kann ich täglich an einem großem Werbeplakat vorbeifahren, welches offensichtlich für TV’s Reklame macht. Die Firma Pirelli muß an uns interessiert sein. Sonst hätte sie nicht diese Plakatwerbung besorgt. Da sieht man einen athletischen Schwarzen in gebückter Haltung, fertig zum Start unter dem Motto: »Power is nothing without control.« Zwar zeigt er nur sehr verschämt, daß er ein TV ist – aber immerhin! Nur so kann man nämlich die roten Damenschuhe mit hohen Absätzen verstehen, welche unsere Freundin da auf dem Plakat trägt…!

Aber nun zu anderen Druckerzeugnissen. Da ist sicherlich das Buch des Monats in meine Hände geraten. Es füllt eine lang gespürte und oft reklamierte Lücke aus. Es ist in deutscher Sprache, wurde in Deutschland geschrieben, handelt von Transsexuellen in Deutschland und ist nicht für Fachmediziner bestimmt! Nach diesen Kriterien beurteilt hatten wir bisher noch keinen Band auf dem deutschen Büchermarkt. Sein Titel: »Messer im Traum«. Seine Autorin: Holde-Barbara Ulrich und der Fotograf Thomas Karsten. Sie haben es im Konkursbuch Verlag Claudia Gehrke im Januar 1994 herausgebracht (175 Seiten, DM 39,80). Wir gratulieren, denn ergänzt mit »dreizehn erregenden Lebensgeschichten in Wort und Bild« die Biographien Einzelner, welche bisher dem Leser zugänglich waren. Warum gerade diese 13 TS ausgewählt wurden, ist nicht beschrieben, doch bieten sie einen guten Querschnitt all derer unter uns, welche den Schritt zur Körperveränderung getan haben. Überwiegend sind darunter M-zu-F, aber auch einige Lebensgeschichten, die in die andere Richtung verlaufen. Besonders beachtlich: es werden auch Menschen geschildert, deren Entwicklung durchaus nicht einfach und positiv verlaufen ist. Harte Kurven, schlimme Enttäuschungen mußten manche überstehen, einige leben auch jetzt noch in komplizierten und unglücklichen Situationen.

Alle Fotos sind sehr einfühlsam, dezent, und bieten eine gute Begleitung des Textes (überwiegend in schwarz/weiß). Mein einziger Wunsch für eine Ergänzung: Es wäre hilfreich gewesen, wenn die Autorin einen ausdrücklichen Hinweis auf positive Möglichkeiten der TS-Selbsthilfegruppen gegeben hätte. Oftmals schaffen es die Betroffenen nicht, selber Kontakte aufzunehmen, welche sie in den Kreis anderer Betroffener führen könnte. Positiv: die Adresse der Frankfurter Transidentitas ist angegeben. Mein Rat: kaufen!

Dem geneigten Leser kann ich den gleichen Rat für zwei weitere Publikationen nur mit Einschränkungen geben, weil für diese Bücher die Zielgruppe nicht eindeutig ist. Mit Interesse habe ich das kleine TB »Verboten« (Heyne Verlag, 8,90 DM) gelesen. Der spanische Autor Leopoldo Azancot schreibt über einen jungen Terroristen, der sich auf der Flucht vor der Polizei bei Esther versteckt. Später erfährt er nach einigen Liebesversprechungen, daß er an einen TV geraten ist.

Exotischer ist eine Erzählung aus Japan unter dem Titel: »Kitchen«. Geschrieben von einer dortigen Autorin mit dem netten Pseudonym: Banana Yoshimoto. Erschienen im Diogenes Verlag, Zürich (206 Seiten). In der Großstadt Tokio erlebt die junge Mikage seltsame Abenteuer, die in der Küche beginnen und sich in einem vornehmen Appartement fortsetzen. Die schöne Mutter ihres Freundes taucht auf – nur langsam wird deutlich: diese Frau war ein Mann. In seinem Heimatland soll die Geschichte ein großer Erfolg sein, jetzt zum ersten mal in deutscher Sprache.

Zu sagen wäre noch etwas über ein deutsches Musical, welches dieser Tage seinen Start in Berlin hatte. Sein Titel: »Die Ladyboys«, natürlich geht es hier um TV’s. Davon später mehr. So long.

Rita/Bremen

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Gelesen und gesehen – noch im April 1994

Beim letzten Mal stand eine Fernsehsendung im Mittelpunkt meines Textes. Diesmal möchte ich von einigen interessanten Publikationen berichten. So ist es sicher ungewöhnlich, dass beim kritischen »Magazin von Frauen für Menschen«, also der EMMA, eine Transsexuelle auf dem Titelbild zu sehen war (Ausgabe März/April 94). Und es ist die bekannte Journalistin Alice Schwarzer selbst, die das Dossier TS schrieb mit dieser Einleitung: »Transsexuelle sind Menschen, deren Seele ein anderes Geschlecht hat als ihr Körper. Ihr Konflikt zwischen Körper und Seele ist so groß, dass auch der Gesetzgeber seit 1980 die Anpassung des Körpers an die Seele erlaubt.« Auf den folgenden 19 Seiten findet man Gespräche mit Waltraud Schiffels (M zu F) und Veronika Thirolf (F zu M). Nachdrucke aus den Büchern von Schiffels, Marjorie Garber und Janice Raymond (The Transsexual Empire) sowie aus dem holländischen »Frauen in Männerkleidern«. Das Interview mit der Diseuse Georgette Dee rundet die Texte ab. Mein Eindruck: Insgesamt eine durchaus sympathische Interpretation von TS-Erfahrungen. Als eine erste Information für den nicht spezialisierten/informierten Leser gut geeignet.

Etwas umfassender wird man da schon durch das neue Taschenbuch von Gesa Lindemann über »Das paradoxe Geschlecht« informiert (Fischer TB 11734). Im November 1993 veröffentlicht, gibt der Untertitel genauer an, worum es bei dieser Soziologin vom Institut der FU Berlin geht: »Transsexualität im Spannungsfeld von Körper, Leib und Gefühl.« Darin finden sich die Ergebnisse von beratenden Gesprächen mit 15 TS durch die Autorin, wie auch mit weiteren 100 Betroffenen und Beteiligten. Die von der Autorin stark betonte »mikrosoziologische Perspektive« macht es dem nicht vorgebildeten Leser stellenweise schwer zu verstehen, wie sie ihre Bewertungen und Kriterien gewinnt und anwendet. Direkte Aussagen von den TS bringen in die ca. 300 Seiten etwas mehr Lebendigkeit und sind der Originalton im Buch.

Über die neuen Beziehungen von Mann und Frau wird überall viel nachgedacht und manches geschrieben. Aus Frankreich kommt dazu ein Beitrag mit der vielversprechenden Aussage, es gehe um die »androgyne Revolution«. Der Titel »Ich bin Du«, die Autorin: Elisabeth Badinter. Bereits seit 1987 in deutscher Sprache vorgelegt, ist es nun auch als Taschenbuch (und preiswerter) erhältlich. Verlag: dtv-TB-30 397. Ob dieser Band wirklich ein »außerordentlicher Denkanstoß« ist, wie französische Stimmen es behaupten, darf diskutiert werden. Aber hier sind viele Überlegungen zusammengefasst, die in der Grundsatzdiskussion zu hören sind. Dabei wird auch unterstrichen, was wir TV/TS-Freunde erfahren haben; dass nämlich das genetische Geschlecht nicht immer für ein ganzes Menschenleben prägend sein muss. Lange haben wir auch schon beobachtet, dass in der Szene eine Art »androgyner Kult« entstanden ist. Aber die Frage: wo geht es lang? – bleibt offen. es ist wohl eher die Unklarheit der neuen Rolle von Mann/Frau in unserer Gesellschaft, die da (auch für uns) Freiräume schafft. Beachtlich: 40 Seiten lang Fußnoten, plus 7 Seiten Biographie. Damit sei angedeutet, für welchen Leserkreis dieser Titel besonders interessant sein wird.

Zum Schluss noch leicht verdaulichere Kost. Der Titel: »Der Quotenmann«, ein kleiner Roman von Anna Dünnebier (Fischer TB-11779). Auf 170 Seiten wird geschildert, was passiert, als ein braver deutscher Beamte des Aufstiegs willen buchstäblich zu einer Quotenfrau wird und nun in Bonn zum Karriere-Höhenflug ansetzt. Dabei erfährt er manch neue Erkenntnis über Mann/Frau und wie es dann alles endet – das mag ich der geneigten Leserin gerne empfehlen!

So long aus Bremen

Rita

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Gesehen und gehört – April 1994

Vielleicht war es für uns und das Fernsehen in Deutschland doch ein historisches Datum: Die Sendung von Hans Meiser am 23. März 1994 im RTL. Denn zum ersten Mal konnten wir nicht nur Transvestiten in Filmen und humoristischen Sendungen bewundern – sie waren diesmal selbst das Thema und darum selbst auch Anwesende im Studio. Zwar hatte vor einigen Monaten schon der bewährte Biolek eine Talk-Show gehabt, in der Travestie-Stars und Sternchen vorkamen, doch damals waren die einfachen TV’s doch nur ein kleiner Teil der schillernden Skala der »Lust zum Verkleiden« gewesen. Mary und andere Profis beherrschten damals die Mattscheibe. Bei RTL lautete das Konzept der Sendung offensichtlich anders, und der taktvolle Hans Meiser bemühte sich ehrlich um das Verständnis der Mitmenschen für diese Gattung von Menschen.

Da saßen sie also nun in recht ansehnlicher Kleidung (Kleidern), die Chantal, Michaela, die rothaarige Sekretärin aus Berlin (Jerome Castel) und der stille Travestie-Star aus dem Startreff in Köln. Aber am Ende der Sendung fragte man sich; was kam nach 60 Minuten beim Zuschauer im Wohnzimmer eigentlich an, welches Bild hatte die Sendung ihm vermittelt? Vielleicht war es zuviel Detailinformation und zuwenig zusammenfassende Interpretation. Zu oft ging es um das Einzelerlebnis und seltener um den Überblick. Leider waren auch einige der »Geladenen« kaum in der Lage, ihre persönlichen Gefühle/Erfahrungen in Worte umzusetzen. Wenn das nicht geschieht, wie soll der Zuschauer aber TV’s beurteilen können? Typisch: Michaela erklärt definitiv, sie kenne keinen einzigen TV, der homosexuell sei. Der Star aus Köln erklärt, alle seine Kollegen(innen) seien es! Folgerung des Moderators: Man müsse also Homo sein, damit man… Ein klärendes Wort hätte folgen müssen, um den großen Unterschied zwischen dem Transvestiten (im Alltag) und dem Travestiekünstler (auf der Bühne) deutlicher zu machen, denn zu Anfang wurde behauptet, das sei im Grund die gleiche Haltung!

Während also in der ersten Runde eher das heitere Bild des selbstbewussten TV gezeichnet wurde, dem es überhaupt nicht schwer fällt in – zeitweise auffallenden – Kleidern auf der Dorfstraße zu gehen und bei dem alle Freunde/ Berufskameraden/Verwandten Verständnis zeigen oder sogar mithelfen, korrigierten die ruhigen Kommentare von Frau Dr. Bramley dieses Bild zum Glück. Zu ihr kämen durchaus ältere TV’s mit gleicher Neigung, aber mit großen Problemen im Familien- und im Arbeitsbereich. Kleine Alltagssorgen, wie etwa die zusätzliche weibliche Unterwäsche im Haushalt schafften bereits Konflikte. Und eine Hauptsorge der Ehefrau/Partnerin sei es häufig: ob diese Neigung sich nicht doch noch zu »der Operation« sich entwickle, ob nicht ein TV früher oder später zum TS werde? Schade, von ihr hätte man gerne noch mehr gehört.

Wie gut, dass praktisch in letzter Minute das Mikro von der resoluten Vorsitzenden der Transidentitas (Frankfurt) erobert wurde und sie klarstellte, dass hier von zwei verschiedenen Wegen die Rede sei: TV und TS. Sie konnte sogar noch einen kleinen Werbespot für die nächste Fachtagung im April loswerden. Leider gab man ihr auch nicht mehr Zeit – Meiser hatte sich offenbar in der ersten Hälfte des Programms etwas verplaudert, so kamen wichtige Informationen nicht beim Zuschauer an.

Trotzdem; es war prima, so eine Sendung zu erleben. Spitze der Aufruf von Claudia, einem echten und nicht so aufgeputztem TV unter den Zuschauern im Studio. Fast gab es schon den Schlusspfiff, als sie die anwesenden und und zuschauenden Transvestiten ermunterte, sich zu ihrer Neigung zu bekennen. Sie hätte es auch getan und sei damit gut gefahren. Schade – hier hätte man weitersprechen müssen! Dem Normalbürger wurden Eindrücke gewährt, sie waren z. T. zu kurzatmig, aber vielleicht doch eine Hilfe, um verständlich zu machen, warum man in dieser schönen Wunder-Welt lebt. So long –

Rita/Bremen

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Gesehen und gelesen – Februar 1994

Die sogenannte fünfte Jahreszeit geht zu Ende, und vielleicht hat sie dem interessierten Leser eine Möglichkeiten gegeben, im Fasching oder Karneval, wie sonst selten im Jahresablauf?

Auch im Kino konnte man einen netten Farbtupfer entdecken nämlich jenes »stachelige Kindermädchen«, das durch die liebevolle und tüchtige Mrs. Doubtfire einem amerikanischen Schauspieler zu einer neuen Paraderolle und viel geschäftlichem Erfolg verhalf. Für ihn hatte man sich eine wirklich eindrucksvolle Maske einfallen lassen, und so avancierte Robin Williams zu einer liebenswerten 60jährigen Haushaltshilfe. In Rock und Schürze wirkte er sogar für seine eigene Familie so echt, daß ihn die Ex-Frau fast sofort einstellte, als ihr die eigene Karriere immer wichtiger wurde, als in der Küche zu stehen. So läuft mit manchen Gags das alte Kino-Rezept ab: Mann in Frauenkleidern, diesmal unterstützt von einer wirklich sehr »umfangreichen« Ganzkörper-Maske. Auch in Nahaufnahme sehen die Haare von dieser Mrs. Doubtfire so echt aus, daß in mir der Neid aufstieg. Aber dann endet bald die Faszination, wenn der Film auch ein Hit ist und viel Geld einspielt, wenn auch die Zuschauer zu gewaltigem Gelächter hingerissen werden, man kann ihn weder an »Tootsie« messen und schon gar nicht mit einer Darstellung wie in »Crying Game« vergleichen.

Dafür darf ich Ihnen einen echten Geheimtip anbieten; wenn Sie gerne einmal in Frauenkleidern auf den Brettern stehen möchten, die die große Welt bedeuten. Allerdings wäre es wünschenswert, daß Sie in der alten Domstadt Köln leben und sich für den ehrwürdigen Kölner-Männer-Gesangsverein qualifizieren. Der hat nämlich schon seit hundert Jahren eine Bühnenspielgruppe mit dem schönen Namen »Cäcilie Walkenburg«. Jedes Jahr bringen die über 100 Mitglieder eine musikalische Aufführung zustande, bei der die »Mannsbilder als Frauenzimmer agieren«. Ausverkaufte Vorstellungen im Kölner Opernhaus sind die Regel, bis zu 25 Mal tritt man im Jahr auf. Wer hätte Lust dazu? (Und wer könnte mir über dieses Ereignis etwas Bildmaterial vermitteln?)

Aber nicht nur im frohen Städtchen am Rhein, auch wo anders kann man interessante Erfahrungen machen. So kann man jetzt über einen der wichtigsten Männer Amerikas etwas lesen: den früheren Chef des FBI, Edgar Hoover. Jahrelang war er der oberste Polizist des Landes und jagte nicht nur Kommunisten, sondern gerne auch Homosexuelle. Eine neue Biographie enthüllt, daß er auch besondere Parties schätzte. 1958 wird die Frau eines Regierungsvertreters eingeladen, mit ihrem Mann in das Plaza Hotel (New York) zu kommen. In einer der größten Suiten trifft sie dort Mr. Edgar Hoover – als Frau verkleidet:

»Er trug ein flauschiges, schwarzes Kleid, mit einem Besatz aus Volant, Spitzenstrümpfe, hohe Absätze und eine schwarze Perücke. Er war geschminkt und trug falsche Augenwimpern. Er saß dort im Salon mit übergeschlagenen Beinen und in einem sehr kurzen Rock. Roy (ihr Mann) stellte ihn mir als ›Mary‹ vor. Aber es war offensichtlich, daß es keine Frau war, man konnte sehen wo er sich rasiert hatte. Es war Hoover. Ich konnte es einfach nicht glauben, daß ich den Chef des FBI als Frau gekleidet sah«.

Nun ja, wie heißt es doch in jenem Film am Ende: Nobody is perfect! Mit diesem Trost –

Rita/Bremen

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Gelesen und gesehen – Januar 1994

In diesen Wochen sind gleich zwei Filme in unsere Kinos gekommen, die vom gleichen Kulturkreis berichten, nämlich aus China und seiner berühmten Peking Oper. In beiden Filmen geht es jeweils um einen Opernsänger, der die Frauenrollen spielt (und singt). Doch damit hören auch schon die Ähnlichkeiten auf, wie jeder es wahrscheinlich erlebt hat, der im Kino gesehen hat: »M. Butterfly« und/oder »Lebewohl meine Konkubine«.

Besonders das zweite Werk hat einen begehrten Filmpreis in Cannes erhalten. Es malt in kräftigen Farben und dramatischen Szenen ein Epos, welches die kulturelle Entwicklung der Peking-Oper während ca. 50 Jahren schildert (1924 bis 1977). Politik und die Opernbühne sind der Hintergrund für die Erlebnisse eines armen Jungen, der nach qualvoller Vorbereitung und Ausbildung zu einem famosen Darsteller und zwar der Rolle der Konkubine wird. Doch diese Frauenrolle prägt zunehmend auch seinen Lebenswandel und führt dazu, daß er seinen männlichen Bühnenkollegen Duan wie eine »echte Frau« umwirbt. Das hohe Lied der Freundschaftsliebe wird durch eine Heirat arg strapaziert. Durchaus sehenswert, aber wegen der eher verhüllenden historischen Kostüme und der traditionell starken Schminke kommt die Frauendarstellung nur begrenzt der Realität nahe.

Das ist anders bei der schönen chinesischen Sängerin Song Liling. Sie betört und bezaubert jahrelang einen französischen Diplomat, der in Peking Dienst tut und täuscht ihm sogar vor, sie hätte ein Kind von ihm bekommen. Da sie in der Zeit der Kulturrevolution auch von der Partei den Auftrag bekommt, diesen Fremden auszuspionieren, hat diese Story (die auf einer wahren Begebenheit beruht) einige bizarre politische Akzente. Die Dame war nämlich ein Mann und setzt später sogar ihren Liebhaber in Frankreich unter Druck, bis es zur Verhaftung und Verurteilung für ihn kommt. Vor dem Hohen Gericht Frankreichs bekennt sie: »Er hat mich in all den Jahren nie völlig nackt gesehen. In dieser Hinsicht reicht die Butterfly natürlich nicht an die großartige Darstellung der Frau in dem Film »Crying Game« heran. Aber ich denke, man kann als TV Verständnis für den liebestollen Franzosen haben, der sich lange der Illusion hingibt, die seine Version der Madame Butterfly in sein Leben gebracht hat.

Vorausschau: Für Januar soll ein US Film in die Kinos kommen, der nach Vorankündigung »Mrs. Doubtfire – Das stachelige Kindermädchen« heißen soll. Es ist zu bezweifeln, daß dieser Film das Niveau von Tootsie erreichen wird. Es geht diesmal um einen arbeitslosen Stimmenimitator, der sich als Kindermädchen in den Haushalt seiner Ex-Frau einschleicht.

Gelesen habe ich in diesen Tagen einen höchst interessanten Lebensbericht, der vor allem für MzF-TS interessant sein dürfte. Dieses Buch wurde bereits 1907 veröffentlicht, wurde aber seither nicht mehr auf dem Buchmarkt gesehen. Es ist ein Reprint 1993 von der Edition Hentrich/Berlin. N.O. Body, so nennt sich mit einem Pseudonym der Verfasser. Er schildert unter dem Titel »Aus eines Mannes Mädchenjahren« den ersten Teil seines Lebens. Betreut von Dr. Magnus Hirschfeld ist es wohl der erste Bericht in Deutschland von einer derartigen Erfahrung. Durch einen chirurgischen Eingriff korrigiert, konnte er später als Mann sein Leben weiterführen. In einem kurzem Nachwort von 1907 stellt Hirschfeld die These auf:« Das Geschlecht des Menschen ruht viel mehr in seiner Seele als in seinem Körper.« Ein nachdenkliches Wort auch noch für unsere Tage bei allen Diskussionen über TV und TS, den Operationen und den Gesetzesvorlagen.

So long für diesmal. Weiterhin interessiert an relevanten TV/TS Zeitungsausschnitten u. ä. für das Bremer Archiv.

Rita/Bremen

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Gelesen und gesehen – 1993

Diesmal stehen zwei Filme im Mittelpunkt der Neuigkeiten für 1993. Beide kommen aus England: »Orlando« und »The Crying Game«.

Beginnen wir mit der Verfilmung des feministischen Klassikers von Virginia Woolf, der seit Februar in den Kinos der Großstädte anläuft: »Orlando«. Es geht um einen Menschen, der in seinem 400-jährigen Leben vom Mann zur Frau, zum Mann und wieder Frau wird. Ein Zitat aus dem Spiegel dazu: Eine kräftige Hand zurrt an einem Mieder, zieht die Riemen enger, ruckt und zurrt an dem eingeschnürten Oberkörper. Eine andere Hand bindet Schleife um Schleife an einem Reifrock fest. Zwei Dienerinnen kleiden anno 1750 eine Dame an.

Die Dame betrachtet sich leicht verwundert und verschreckt im Spiegel. Zum ersten Mal in ihrem Leben wird sie wie ein Kleiderpaket verschnürt. Die Dame war vor kurzem noch ein Herr«(!).

Allerdings steht diese gewiß prickelnde Erfahrung einer großen Veränderung nicht im Mittelpunkt des Filmes. Er will wohl mehr die Gemeinsamkeiten und nicht die Unterschiede der Geschlechter betonen. Alle Beobachter sind des Lobes voll über die Hauptdarstellerin, Tilda Swinton. Nach Meinung von Filmexperten mache ihre androgyne Schönheit diese Verfilmung überhaupt erst möglich. Zudem kann sich das Auge des Besuchers an dem Pomp der Kostüme aus mehreren Jahrhunderten berauschen – also sehen wir’s uns an.

Das wird beim zweiten Film jetzt kaum noch möglich sein – »The Crying Game« lief nur kurze Zeit in unseren Kinos. Man konnte dort Dil sehen, eine wirklich hübsche Farbige, die in einem Londoner Friseursalon arbeitete. nach der Arbeit taucht sie in ihrem Stamm-Pub auf und trifft dort eines Abends den auf der Flucht befindlichen Fergus, einen Freiwilligen der IRA. Man verliebt sich – es kommt zur Annäherung und Enthüllung – da erst merken wir es: Dil ist ein reizender Transvestit, aber mit seiner männlichen Genital-Ausrüstung. Das kann jedoch der unvorbereitete Liebhaber nicht ertragen, die neue Situation führt zu einer dramatischen Reaktion. Am Ende und mancher Ballerei kann Fergus nicht von der zarten Gestalt lassen. Schlußszene im Gefängnis: Dil kommt zu Besuch, sie will auch die 2.334 Tage bis zu seiner Entlassung auf ihn warten! Liebe siegt wieder einmal. Einige nette Szenen und die eindrückliche Figur von Dil.

Zum Schluß noch ein Taschenbuch, es liegt leider bisher nur in der englischen Sprache vor – kann aber in den einschlägigen Buchhandlungen erworben werden: Caroline Cossey – »Tula – My Story« (1991, Faber & Faber, 230 Seiten). Es ist die ehrlich geschriebene Autobiographie einer englischen TS (geb. 1954 in Norfolk). nach erfolgreicher kosmetischer Brust-Operation Versuch der Heirat. Auch nach Total-OP vergeblicher Versuch, die englische Justiz dazu zu bringen, die Eintragungen im Geburtsregister entsprechend des neuen Zustandes anzubringen. Da dies fehlschlägt, wird der Europäische Menschenrechtsgerichtshof eingeschaltet! Leider erfährt im Sommer 1990 Tula erneut die Ablehnung ihres Antrages. Dennoch bleibt der Leser beeindruckt von dem tapferen Bemühen der Autorin, ihr Leben so zu gestalten, daß auch die formale Anerkennung der Öffentlichkeit für ihren Weg erreicht wird. In Deutschland hätte sie es etwas leichter gehabt, was gesetzliche Bestimmungen angeht. Empfehlenswert. (Anm. der Red.: Tula ist mittlerweile nach Atlanta, USA gezogen und hat England den Rücken gekehrt.) Wer hat weitere Informationen über Filme und Bücher? Darüber würde sich freuen

Rita

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Gelesen und gesehen – 1992

Fangen wir mit der zweiten dieser Aktivitäten an, so konnte man in diesen Wochen eine ungewöhnlich große Zahl visueller Eindrücke registrieren, die uns allen im TS- und TV-Bereich Freude bereiteten. Bildschirm und Kinoleinwand sind zu bedenken, aber nur von der Letzeren wollen wir berichten.

Auf vielen Kanälen war in diesen Tagen der »erste Transvestit Deutschlands, der das Bundesverdienstkreuz erhielt« zu erleben. Natürlich hat er es nicht erhalten wegen des sanftblauen Kleides und der netten Perlenkette, welche er mit schöner Regelmäßigkeit bei den verschiedenen Talk-Shows zeigte. Charlotte von Mahlsdorf wurde vielmehr immer wieder über den neuen Film befragt (»Ich bin meine eigene Frau«), der in diesen Tagen in mehreren deutschen Kinos angelaufen ist. Regie führte Rosa von Praunheim. In meiner Heimatstadt war er noch nicht zu sehen. Aber nach den Ausschnitten zu urteilen, die man in den Kino-Hinweissendungen des Fernsehens zu sehen bekam, wird der Film wohl kaum überbieten können, was Charlotte in ihrer sehr anregend und spannend geschriebenen Autobiografie bereits berichtet hat. Das Taschenbuch trägt den gleichen Titel wie der Film und ist in der »Edition dia« publiziert worden (Berlin 1992, ISBN 386034109X). Das energische Eintreten von Charlotte für die Schwulen und Lesben in der Ex-DDR wird nur noch überboten von ihrem energischem Kampf für die Erhaltung historischer Einrichtungen aus der Gründerzeit und sogar für die Erhaltung eines Schlosses. Eine beeindruckende Person!

Ebenfalls in unsere Kinos ist ein englischer Film gekommen, den sehr viel weniger Reklame begleitet hat. Dafür ist »Just like a woman« nach einem faszinierend lebensechten Bericht von Monica Jay gestaltet, die vor einigen Jahren, ohne es zu wissen, einen Transvestiten in ihre Pension aufnahm. Sie beschreibt dies in dem Buch mit dem Titel »Geraldine« und nach meiner Meinung ist daraus der schönste TV-Film des Jahres 1992 geworden. Er schildert die Erfahrungen des aufsteigenden Bankers Gerald, der sich nach einer wegen seines Transvestitismus gescheiterten Ehe seiner sympathischen Vermieterin Monica offenbart. Vor deren erstaunten Augen zeigt eine auch sonst sehr dezente Kamera die Verwandlung von Gerald in Geraldine. Mit Monica erlebt er wunderbare Tage – und Nächte. Ein Besuch in einem englischen TV-Club schließt sich an. Eines Tages passiert im nächtlichen London der Konflikt zwischen einer Polizeistreife und Geraldine (diesmal nicht in Begleitung von Monica). Alles scheint verdunkelt, er verliert auch seinen Job. Wie es zu einem tröstlichem Ende kommt, wird nicht verraten. Mein Vorschlag: jeder echte TV sollte sich diesen Film ansehen, selbst wenn er wohl in unseren Kinos nicht sehr lange laufen wird – wie ich vermute.

Auch auf dem Bücherregal finden sich einige interessante Dinge. Da ist einmal das schon genannte TB von Charlotte zu nennen. Dann kommt eine weitere Veröffentlichung von Waltraud Schiffels in die Läden. Sie ergreift immer stärker in der Öffentlichkeit Partei für die Transsexuellen. Der neue Titel lautet: »Frau werden – von Walter zu Waltraud« (Edition Ebersbach, Verlag eFeF, Dortmund).

Nicht ganz so ausgeglichen geschildert ist die Autobiografie eines deutschen TS – von dem allerdings kurioserweise der Verlag auf der letzten Buchseite mitteilt, daß die im Buch geschilderte Operation noch gar nicht erfolgt sei! Auf jeden Fall schreibt eine Alexandra – »Ich war ein Mann« (Hestia Verlag, Rastatt, 1992). Das erschütternde Schicksal einer Transsexuellen, die im Leben nie eine Chance bekam« – so faßt jedenfalls der Klappentext den Inhalt zusammen.

Interessanter – zumindest für die ständige Diskussion über den von TS einzuschlagenden Weg – ist vielleicht ein Buch von einer holländischen Autorin, Johanna Kamermans – »Mythos Geschlechtswandel« (edition hathor, Hamburg, 1992). Von der Autorin erfährt man, daß sie MzF-TS ist. Sie hat zweifellos sehr umfangreiches Material hier zusammengetragen auf den 384 Seiten des Buches. Sie kommt dabei zu der verblüffenden Überzeugung (als operierte TS!), daß man den chirurgischen Geschlechtswandel viel seltener durchführen sollte und tritt dafür ein, daß man den meisten Betroffenen zum »sozialen Geschlechtswandel« verhelfen sollte. Da hier nicht ein Mediziner oder Psychologe argumentiert, der von seinen Beobachtungen, Behandlungen oder gar seinen »Fällen« ausgeht, darf dieses Buch sicherlich uneingeschränkt unsere Aufmerksamkeit erhalten – selbst wenn wir dann dem Argument der Autorin nicht zustimmen können. Für den deutschen Leser sind manche Passagen etwas umständlich formuliert und lesen sich nicht so flüssig. Manche Informationen kommen in massiven Wiederholungen – aber es lohnt sich das Buch zu lesen.

Damit genug für diesmal. Der geneigte Leser/Leserin sind wieder aufgefordert, bei der Suche nach interessanten Sachen zum Sehen und Lesen mitzuhelfen…

Rita/Bremen

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Gelesen und gesehen – Januar 1992

Die Welt wird immer kleiner. Amerikanische Fernseh- und andere Produkte umgeben uns in allen Lebensbereichen. Aber seltsam – für alle, die an TV- und TS-Literatur Interesse haben, gibt es kaum Übersetzungen aus dem reichen Angebot in englischer Sprache auf unserem Büchermarkt. Zwar findet man in bestimmten Geschäften verschiedene Magazine, die zum Teil für unseren Leserkreis bestimmt sind, doch sachliche und hilfreiche Bücher bleiben die Ausnahme.

Daher machen wir besonders gerne auf ein Taschenbuch aufmerksam, welches 1991 im Kreuz-Verlag Zürich erschienen ist und den Untertitel trägt: »Alles über Transsexualität«. Damit haben die Autoren Barbara Kamprad und Waltraud Schiffels sicherlich zuviel versprochen. Doch der eigentliche Buchtitel »Im falschen Körper« weist genau darauf hin, was durch verschiedene Betroffene und Fachleute zu diesem Thema gesagt werden kann. Interessant ist, daß dabei Frau Dr. Schiffels in mehrfacher Weise zur Sprache kommt: einmal in ihrer eigenen Darstellung (Protokoll einer Bewußtseinsänderung, aber auch aus der Sicht eines früheren Klassenkameraden (von Walter zu Waltraud)). Weiter werden die Stimmen von Psychoanalytikern (z. B. Pfäfflin) vorgestellt, neben sachlichen, medizinischen und juristischen Informationen. Auf nur 240 Seiten eine beachtliche Zusammenfassung für den persönlich Interessierten, sowie für den interessierten Beobachter – daher sehr empfehlenswert.

Das kann auch von einem Film gesagt werden, der in den vergangenen Wochen in Kinos von Hamburg bis München zu sehen war, selbst wenn er im üblichen Sinne keinen Kassenerfolg in Deutschland war: »Paris is burning«. Dabei hat er eigentlich nichts mit Paris zu tun, dafür alles mit Harlem und den Tuntenbällen der Schwarzen in diesem Stadtteil von New York. J. Livingston hat 1990 diesen Dokumentarfilm gedreht, der einen faszinierenden Einblick in die schwarze Subkultur dieser amerikanischen Weltstadt erlaubt. Er schildert aus der Sicht der Beteiligten verschiedene Bälle von »Gay People«, die sich in Wettbewerben immer neue Tanzformen erschaffen, und z. T. in großer Kostümvielfalt ihre Rivalen auszustechen versuchen.

Hinter dem Glitzer der TV-Stars wird aber auch die schreiende Armut deutlich, in der viele von ihnen ihren Alltag ausleben, und die wohl der stärkste Ansporn dafür ist, eine Nacht im Scheinwerferlicht des Ruhms und der Beachtung durch andere zu stehen. Dabei geben Mode und Fernsehen Vorbilder ab, die man nachzuahmen sucht im Spektakel, welches zugleich Suche nach Liebe und Geborgenheit ist.

Weitere Filme, die interessieren können: Pedro Almodovars »High Heels« (mit zwei guten Travestieszenen aus Spanien) und »Rebeccas Töchter« (politische Aktionen im frühen Amerika«. Genug für diesmal – gelesen und gesehen von

Rita / Bremen

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Diese Texte stammen ursprünglich aus der Transworld-Mailbox. Leider habe ich weder eine E-Mail-Adresse von Rita aus Bremen noch von Claudia, der Betreiberin der ehemaligen Transworld-Mailbox gefunden, so dass ich sie nicht um die Erlaubnis zur Veröffentlichung fragen konnte. Wer kann mir weiterhelfen, wer weiß, wie ich sie erreichen kann? Für Hilfe bin ich sehr dankbar.

Seite angelegt am 13.10.2004, zuletzt geändert am 01.09.2005.