Nikita Noemi Rothenbächer: Transidentität, 2004.

vorgestellt von Laura

Bibliographische Angaben

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Die Fakten zum Buch:

Umschlagtext

Der vorliegende Bericht ist eine sehr wahrheitsgetreue, persönliche und packende Darstellung der Lebensumstände einer Transsexuellen. Detailliert werden die Probleme aufgeführt, die im beruflichen und sozialen Alltag aus mangelndem Bewusstsein der Gesellschaft und fehlender Akzeptanz für diese Personengruppe resultieren.

Teils Lebensgeschichte, teils Erfahrungsbericht, teils Anklageschrift gegen die bestehende Voreingenommenheit von Bevölkerung, Arbeitgebern und Krankenkassen sowie eingehende Informationsrecherche, bietet dieser Bericht den Lesern einen tiefen Einblick in die verschiedensten Aspekte dieses Krankheitsbildes. Kein Aspekt wird beschönigt, nichts ausgelassen. Nikita Noemi Rothenbächer vermittelt großes Interesse und tiefes Verständnis für alle Betroffenen.

Klappentext

Das Bemühen der Autorin aus Sicht einer Betroffenen, Licht auf ein weitgehend noch unbekanntes Terrain zu werfen, ist beeindruckend. Ihr Schicksal ist bewegend und bringt dem Leser die Problematik einer abweichenden Geschlechtsidentität näher als jedes Fachbuch es zu leisten vermag. Auch anhand dieses Berichts ist festzustellen, dass auf diesem Gebiet – sowohl in medizinischer wie in rechtlicher Hinsicht – noch viel Unkenntnis und Unklarheit besteht.

Inhalt

Vorwort

Einleitung

Teil I:

  1. Mein Leben als Mann – ein Leben im falschen Körper
  2. Der Aufbruch in ein neues Leben – Psychotherapie, Alltagstest und Hormonbehandlung
  3. Meine Operationen – eine Sehnsucht wird zur Realität
  4. Der lange Weg zum Ziel – eine Auseinandersetzung mit der Krankenkasse
  5. Entlassen wegen Krankheit? Alles, was nicht Recht ist
  6. Partnerschaft und Sexualität

Teil II:

  1. Grundsätzliches
  2. Anamnese und Anamnesen
  3. Hormonbehandlung bei Transidentität
  4. Genitaltransformierende Operationen
  5. Die häufigsten Nachoperationen

Literatur und Quellen

Kommentare

Rezension von Marina Bierbaum (17.10.2005)

Das Buch »Transidentität – von wo nach wohin?« von Nikita Noemi Rothenbächer beginnt im 1. Teil mit einem interessanten persönlichen Bericht. In diesem führen allerdings irreführende Begriffe und ihre Anwendung sowie falsche Formulierungen zu diversen Missverständnissen. Als Beispiel soll hier die Einführung des Begriffs »Transidentität« statt »Transexualität« angeführt werden. Sie erklärt auch hervorragend, warum der Begriff »Transsexualität« falsch ist. Doch nur einige Seiten später und auch danach verwendet sie genau diesen Begriff plötzlich wieder. Lobenswert ist auch der Hinweis darauf, dass eine Einnahme von Hormonen auf keinen Fall ohne ärztliche Aufsicht erfolgen darf, da eine Überdosierung fatale Folgen haben kann.

Die Geschichte im 1. Teil ist interessant und trotz der oben beschriebenen Mängel lesenswert, obgleich die damit verbundene Aufklärung von nicht-transidenten Menschen leider fehlschlägt, da die Probleme Transidenter meist zu kurz und unzusammenhängend dargestellt wurden. Hier gibt es zudem noch das gleiche Problem, wie in allen anderen Dokumentationen, Büchern und Berichten: Die Gefühle der Autorin bleiben weitgehend im Verborgenen und werden nur angedeutet. Somit kann ein nicht-transidenter Mensch die Probleme allerhöchstens (mit viel Wohlwollen) ansatzweise nachempfinden.

Der 2. Teil des Buches soll eine wissenschaftliche Aufarbeitung des Themas zum besseren Verständnis des 1. Teils darstellen – hier scheint der Gaul mit Frau Rothenbächer durchgegangen zu sein. Abgesehen von einigen Betroffenen, Akademikern und im besten Fall noch besonders belesenen Personen ist dieser Teil für alle anderen nicht nur unverständlich, sondern auch noch kontraproduktiv. Bei dem Versuch, Entstehung und Existenz der Transidentität zu erklären, verwendet die Autorin teilweise esoterisch anmutende Ansätze! Danach soll der Leser dann noch in allen Einzelheiten die Differenzialdiagnostik verstehen. Um die Verwirrung dann endlich komplett zu machen, beschreibt Frau Rothenbächer hier erst, dass durch die Differenzialdiagnostik psychische Erkrankungen mit ähnlichem Erscheinungsbild wie dem der Transidentität ausgeschlossen werden, um dann nur einige Sätze später die Abschaffung des Verfahrens der »Standards of Care« und der Zwangstherapien zu fordern. [Über eine starre Anwendung der Standards kann und sollte man streiten, aber über die Zwangstherapien an sich nicht, denn wenn durch falsche Diagnose erst einmal eine geschlechtsangleichende Operation durchgeführt wurde, gibt es kein (vollständiges) Zurück mehr! (Anm. der Rezensentin)] Überraschend ist dann plötzlich, dass wiederum nur einige Seiten weiter (bei der Beschreibung über die Anamnese) die Autorin die Therapie genau aus den genannten Gründen wieder für richtig und wichtig hält.

Weiß Nikita Noemi Rothenbächer überhaupt, was sie will? Scheinbar nicht!

Schlimmer finde ich aber noch, dass die Autorin im 2. Teil des Buches die Transidentität als »Krankheit« bezeichnet! Das ist nicht wahr. Tatsächlich gibt es verschiedene Theorien, die aber alle eines gemeinsam haben: Es gibt keine Ursache, die so stark von den in der Natur vorkommenden Möglichkeiten abweicht, dass auch nur annähernd von einer Krankheit gesprochen werden kann! Genau deshalb spricht man auch in der Medizin nur von einem »Krankheitswert« bei Transidenten. Doch wieder entscheidet sich die Autorin später dafür, mir in jeder Hinsicht beizupflichten und behauptet erneut genau das Gegenteil von dem, was sie vorher geschrieben hat!

Zum Abschluss noch etwas, was man sehr positiv hervorheben muss (endlich!): Die Ansichten der Autorin z. B. zum Alltagstest sind sehr durchdacht, nachvollziehbar und (schon fast überraschend) völlig richtig. Hier gebührt Ihr großes Lob für die detaillierte Ausarbeitung aller Probleme und die Hinweise auf einfache und praktikable Lösungen.

Fazit: Das Buch ist für Transidente allerhöchstens als brauchbar einzustufen, obwohl Frau Rothenbächer scheinbar hervorragend recherchiert hat, doch die vielen Widersprüche, falschen Formulierungen und Begriffe verwirren und klären nicht auf, sondern verklären die Sicht auf die Dinge. Schade, denn der Versuch der Aufklärung ist sehr lobenswert!

Marina Bierbaum

Weiterführende Informationen


Seite angelegt am 01.07.2005, zuletzt geändert am 23.11.2006.