Rainer Herrn: Schnittmuster des Geschlechts, 2005.

vorgestellt von Laura

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Die Fakten zum Buch:

Über das Buch

Anhand weitgehend unbekannter Archivquellen, Texte und Fotografien beschreibt der Autor, wie sich die wissenschaftliche und soziale Kategorie der Transvestiten im Wechselspiel von Forschern und Beforschten allmählich herausbildete. Der Prozess der Etablierung der Transvestiten, wie auch der Ausdifferenzierung ihrer Lebensstile vollzieht sich auf der Grundlage von Fremd- und Selbstzuschreibungen spezifischer Geschlechterbilder.

In der aufkommenden Sexualpathologie des späten 19. Jahrhunderts gehört Cross-Dressing neben Homosexualität und anderen Abweichungen von den Geschlechternormen zur so genannten konträren Sexualempfindung (Westphal). Im von Cross-Dressern initiierten Dialog mit Sexualwissenschaftlern kam es zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu ihrer Ablösung in eine eigenständige Kategorie, die Transvestiten, die Magnus Hirschfeld in der gleichnamigen Monografie (1910) erstmals beschrieb. Mit der Einführung dieses Konzeptes begann ihr Kampf um die juristische Legitimation ihrer Neigung (Transvestitenscheine, Vornamensänderungen), um ihre Abgrenzung gegenüber den Homosexuellen sowie ihre Selbstorganisationen, die in der Weimarer Zeit eine Blüte erreichte.

Mit zunehmendem Einfluss des Körperdiskurses – der ein Arsenal medizinischer Techniken hervorbrachte – auf das Selbstbild, begannen nach 1910 auch erste Transvestiten den Wunsch nach Geschlechtsumwandlung zu artikulieren. Einige, die heute als »Transsexuelle« oder »Transgender« gelten würden, versuchten, ihre physische Erscheinung mit der empfundenen Geschlechtszugehörigkeit in Einklang zu bringen, sowohl im Selbstversuch als auch mit ärztlicher Hilfe. Die ab 1912 aufkommenden ersten Frau-zu-Mann- und ab 1920 auch Mann-zu-Frau-Umwandlungen werden in ihren ethischen, juristischen und medizintechnischen Dimensionen bis in die 30er Jahre dokumentiert. An dieser Entwicklung waren Magnus Hirschfeld und das Institut für Sexualwissenschaft (1919–1933) maßgeblich beteiligt.

Dem Band ist ein Geleitwort des Sexualwissenschaftlers Volkmar Sigusch vorangestellt.

Über den Autor

Dr. Rainer Herrn ist als Natur- und Sozialwissenschaftler seit 1991 Mitarbeiter der Forschungsstelle zur Geschichte der Sexualwissenschaft der Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft (Berlin). Zahlreiche Veröffentlichungen zur Sexualwissenschaft sowie zu sexuellen Minderheiten aus wissenschafts-, kultur- und sozialhistorischer Sicht. Aktuelle Forschungen über die theoretische und praktische Arbeit des Instituts für Sexualwissenschaft (1919–1933).

Inhaltsverzeichnis

Geleitwort von Volkmar Sigusch: Die Anfänge der Genochirurgie.

Vorwort

Danksagung

  1. Die Cross-Dresser in der Sexualpathologie
  2. Die ungleichen Schwestern: Abspaltung der Cross-Dresser
    • Die Cross-Dresser melden sich zu Wort
    • Das ambivalente Verhältnis Homosexueller zur Weiblichkeit
    • Die Wissenschaft als Forum
  3. Hirschfelds Entwurf des Transvestitismus
    • Die Protagonisten
    • Das Phänomen
    • Die Körper
    • Die Sexualität
    • Die Frauen
    • Die Gegenprobe
    • Juristische Hürden
    • Der illustrierte Begleitband »Der erotische Verkleidungstrieb«
  4. Auswirkungen I
    • Die Rezeption von Hirschfelds Entwurf · In der Sexualwissenschaft · In der Psychoanalyse
    • Eine ungewöhnliche Zusammenarbeit: Transvestiten, Ärzte und Behörden
    • Die Transvestiten im Ersten Weltkrieg
    • Homosexuelle Transvestiten
    • Der »problematische« Körper
    • Hormonwirkungen
  5. Die Transvestiten im Institut für Sexualwissenschaft
    • Entwicklungslinien des Instituts
    • Die Erforschung der Transvestitinnen. Zweiter Versuch
    • Die Transvestitenberatung
    • Liberalisierungen: Juristische und kriminalistische Regelungen der Weimarer Zeit · Die behördliche Anerkennung der Transvestiten
    • Die Welt der Transvestiten
    • Der Zusammenschluss
    • Exkurs: Transvestiten in der NS-Zeit · Widersprüchliche Praktiken
  6. Der lange Weg zum »anderen« Geschlecht – operative Geschlechtsumwandlungen
    • Der »planlose« Beginn
    • Ein gefährliches Zwischenspiel – Transvestiten als Selbst-Operateure
    • Der Wunsch nach Geschlechtsumwandlung bei »extremen« Transvestiten
    • Techniken der Geschlechtsumwandlung · Der Bart · Exkurs: Juristisches Nachspiel, ein Patient prozessiert · Die Brust · Paraffininjektionen · Hormontherapie · Das Genitale
    • Geschlechtsumwandlungen im Institut für Sexualwissenschaft · Kompetenzen, Möglichkeiten und Grenzen · Irrtümlich als Geschlechtsumwandlung bezeichnete Fälle · Die operative Geschlechtsumwandlung wird Routine · Die rechtliche Absicherung · Unklare Folgen
  7. Auswirkungen II: Die undankbaren Erben
  8. Literaturverzeichnis
  9. Abbildungsverzeichnis

Weiterführende Informationen

Website zum Buch


Seite angelegt am 05.08.2005, zuletzt geändert am 23.11.2006.